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Wohnen macht arm – wie lange noch?

Die Regierungsparteien entdecken die Wohnungsnot. Was dazu zu sagen ist.

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Elke Kahr und Ernest Kaltenegger räumen mit Vorurteilen und Halbwahrheiten auf.

„Die aktuelle Wohnbaudebatte kann nicht losgelöst von der Entwicklung der letzten Jahre gesehen werden.“ Das sagte der ehemalige KPÖ-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Ernest Kaltenegger, der die Landtagsdebatten zum Thema in den letzten Jahren sehr gut kennt. „Die großen Parteien entdecken jetzt das Thema Wohnen neu. Das hat wohl auch mit dem Wahlergebnis der KPÖ bei der Gemeinderatswahl in Graz zu tun“, vermutet er.

Zu befürchten sei aber, dass das Thema nach der NR-Wahl im September wieder in den Tiefschlaf verfällt. „Die Demogagie in diesem Zusammenhang ist haarsträubend!“, so Kaltenegger.

Es sind nämlich jene Parteien, die seinerzeit aktiv die Abschaffung der Zweckbindung betrieben haben, die heute ihre Wiedereinführung fordern. Auf Landesebene wurden die Wohnbautöpfe jahrelang ausgeräumt, aushaftende Darlehen an Banken verkauft. Die Konsequenz: Keine Rückflüsse, kein Neubau von geförderten Wohnungen.

So wurden
2002: 757 Mio. Euro und
2003: 831 Mio. Euro
aus dem Wohnbautopf genommen.

„Die SPÖ war hier die treibende Kraft“, so Kaltenegger. Vor allem in den Ballungszentren sei der Rückgang des geförderten Wohnbaus daher dramatisch.

 

Die Debatte um Vermögende in Gemeindewohnungen bezeichnete Ernest Kaltenegger als  „verlogen“. „Diese löst nur Neid aus und dient dazu, von den wirklichen Verursachern der Misere abzulenken.“ Wer solche Ideen entwickle, kenne die tatsächliche Problematik nur vom Hörensagen. Und: „Man müsste ganze Apparate zur Kontrolle beschäftigen. Diese Leute wären besser aufgehoben, würden sie die wirklich reichen Steuerhinterzieher kontrollieren. Auf dem Gebiet herrscht nämlich Personalmangel!“

Stadträtin Elke Kahr verwies darauf, dass die Diskussion um das Thema Wohnen zwar sehr erfreulich sei, dass es aber nicht passieren dürfe, dass dieses dringende Problem nach den Wahlen wieder in Vergessenheit gerät.

„In Graz droht eine dramatische Entwicklung. Steiermarkweit fehlen 16.000 leistbare Wohnungen. Leistbar sind aber nur Gemeindewohnungen“, so die Wohnungsstadträtin, die daran erinnerte, dass bis 2030 ein Bevölkerungszuwachs von 60.000 Leuten in Graz und Graz Umgebung erwartet wird.

„Diesmal wurde unser Antrag auf Wiedereinführung der Zweckbindung bei der Wohnbauförderung im Gemeinderat angenommen, in den vergangenen Jahren allerdings hat man selbst im GR die Wichtigkeit des Themas ignoriert“, so Kahr.

 

 

Kahr nannte einige Zahlen:

In Graz gibt es derzeit kontinuierlich 1800 bis 2000 Ansuchen auf Gemeindewohnungen.
80 % der Antragsteller/innen liegen mit ihren Einkommen unter der Einkommensgrenze
60 % der Bewohner/innen von Gemeindewohnungen liegen ebenfalls darunter.
850.000 Menschen in Österreich wohnen derzeit prekär.
100.000 Personen sind überhaupt wohnungslos.
In Graz sind ein Drittel der Bewerber/innen Notfälle, Personen, die bei Freunden oder Bekannten untergekommen sind oder vorübergehend in sozialen Einrichtungen.

 

Nachdem im Zeitraum zwischen 1998 und 2008 (SPÖ/ÖVP-Stadtregierung) nur zwei Grundstücke für Gemeindewohnungen angekauft wurden, gab es in Graz erst ab 2008 ein Umdenken und es wurden Grundstücksvorsorgen für 500 Gemeindewohnungen geschaffen. Diese Wohnungen werden demnächst fertiggestellt.

„Die neue Koalition aus SP, VP und FP müsste wieder Geld für den Ankauf von Grundstücken reservieren. Doch bisher wurden dafür keine Mittel eingesetzt, und es gibt diesbezüglich keine Zusagen“, mahnt die Wohnungsstadträtin.

 

Die Forderungen der Grazer KPÖ:

  • Zweckbindung wieder einführen
  • Kein Verkauf von Gemeindewohnungen in Graz
  • Reformen im Richtwertmiets-System. Die Richtwertmieten sind zu hoch, man sollte zum Kategoriemietzins mit gesetzlichen Obergrenzen zurückkehren.
  • Keine Befristung von Mietverträgen
  • Die Wohnbeihilfe wurde seit 2005 nicht valorisiert. Besser als eine Valorisierung wäre es allerdings, leistbaren Wohnraum zu schaffen.
  • Grundstücksvorsorgen für den kommunalen Wohnbau
  • Maklergebühren sollen Vermieter tragen

 

Ernest Kaltenegger nahm schließlich Bezug auf die Argumentation der Bundes-ÖVP, dass der Bund doch Kasernengründe an die Kommunen verkaufen solle, um günstigen Wohnraum zu schaffen. „Der Bund soll doch von sich auf die Grundstücke zu Verfügung stellen, anstatt sie zu verkaufen! Hier gibt es kein übergreifendes Denken!“, so Kaltenegger.

Kritik übte Kaltenegger auch am stets wiederkehrenden Argument der „sozialen Treffsicherheit“: „Das ist eine Lüge der Extraklasse. Hier geht es doch nur darum, Menschen gegeneinander auszuspielen. Die Leute werden zu Bittstellern degradiert und zum Schummeln gezwungen, weil es sich für sie hinten und vorne nicht ausgeht“, machte der ehemalige Stadtrat und Landtagsabgeordnete seinem Ärger Luft. „Wenn man diese Pharisäer hört, ist das frustrierend!“

Denn nur eines mache Sinn: Wohnraum zu schaffen, den sich die Menschen auch leisten können!

Veröffentlicht: 10. April 2013

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