Wo leben die Politiker, die dieses Gesetz beschlossen haben?
Ansprache von Vizebürgermeisterin Elke Kahr auf der Demonstration "Hände weg von der Wohnbeihilfe"
Elke Kahr:
Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen
Ansprache auf der Demonstration "Hände weg von der Wohnbeihilfe", Graz, 12. 10. 2016
Die Temperaturen heute sind kalt, viel kälter aber ist derzeit die Politik der Landesregierung gegenüber der steirischen Bevölkerung.
Wir demonstrieren heute weil wir uns das nicht bieten lassen dürfen,dass in unserem Bundesland Menschen, denen es sowieso schon nicht gut geht, noch größere Schwierigkeiten im Leben haben.
Seit vielen Jahren warnt die KPÖ davor, dass Wohnen bei uns nicht arm machen darf. Der Grund, warum wir das sagen ist, weil wir täglich sehen, wie es den Menschen geht und wie schwer sie es haben, die Wohn- und Lebenskosten zu bewältigen.
Auswirkungen sind katastrophal
Trotzdem hat die steirische Landesregierung von SPÖ und ÖVP noch vor dem Sommer die Wohnbeihilfe für rund 18.000 SteirerInnen abgeschafft und ein neues Gesetz beschlossen die sogenannte Wohnunterstützung. Dieses Gesetz gilt nun seit 1. September.
Die Auswirkungen sind katastrophal.Wir haben Hunderte Personen in den letzten Wochen deshalb beraten müssen. Und bis auf wenige Ausnahmen gab es bei den Betroffenen durchwegs drastische Kürzungen und viele waren darunter, die überhaupt keine Mietunterstützung mehr erhalten.
Wo leben eigentlich die Politiker von ÖVP und SPÖ, die so ein Gesetz beschließen?
Sie haben jetzt eine Einkommensobergrenze bei der
Wohnunterstützung von 1.128,-- Euro beschlossen.
156.000 Steirerinnen und davon 40.000 Grazer liegen mit ihren
Pensionen, Gehältern und Bezügen schon jetzt darunter. Wenn nun eine Pensionistin oder eine Familie mit ihrem Gesamteinkommen über diesen 1.128,- Euro liegt gibt es überhaupt keine Hilfe für die Miete mehr.
Von einer Forderung nach einer Obergrenze bei den Politiker- und Managergehältern hört man von denselben Parteien aber nichts.
Die Kürzungen treffen fast jeden, vor allem aber Familien und
Alleinerziehende mit Kindern. Warum ist das jetzt so?
Weil jetzt nicht nur der Unterhalt und die Alimente sondern auch die Familienbeihilfe zum Einkommen dazugerechnet werden.
Dass ist schlichtweg ein familien- und sozialpolitisches Versagen von SPÖ und ÖVP und zeigt, dass es überhaupt kein Empfinden mehr gibt, mit wie wenig Geld schon bisher Eltern mit ihren Kindern auskommen mussten.
Nur 3 Beispiele:
. Alleinerziehende Mutter, 1 Kind berufstätig Nettoeinkommen
1.086,- durch Einberechnung der Familienbeihilfe und
Alimente erhält sie keine Wohnbeihilfe mehr. Wohnkosten
642,- . Das sind mehr als 50 % ihres Gehaltes für die Wohnung.
Alleinerziehende Mutter berufstätig Nettoeinkommen 1.100,-
2 Kinder, ebenfalls keine Wohnbeihilfe mehr. Wohnkosten
684,- ebenfalls mehr als 50 % f. die Wohnung.
Pensionistin, Eigenpension von 852,- Euro, Alleinstehend bisher Wohnbeihilfe von 110,- künftig 39,- euro, Wohnkosten
490,- Euro. Fast 60 % ihrer Pension für die Wohnung.
5 köpfige Familie, Eltern 3 Kinder (2, 5 und 7 Jahre) Vater
Alleinverdiener Netto Gehalt 1500,-, durch Einberechnung der
FB keine Wohnbeihilfe mehr. Wohnkosten 787,- Euro. Ebenfalls
mehr als 50 % für die Wohnung.
So schaut die Familienpolitik von SPÖ und ÖVP in der Stmk. aus.
Wenn man Familienpolitik jemals ernst genommen hat, dann weiß
man dass die Familienbeihilfe 1955 eingeführt wurde um
Kinderarmut in Österreich zu verhindern. Wortwörtlich heißt es im Gesetz von 1955 dazu: "Je größer die Kinderanzahl der Familien ist, desto mehr werde der Lebensstandard der Familien heruntergedrückt. Die Familienbeihilfe und auch das Kinderbetreuungsgeld zählen monetär zu den zentralen Aufgaben österreichischer Familienpolitik". So steht es im Gesetz.
Und deshalb sagen wir heute auch ganz deutlich:
. Wir wollen nicht, dass Eltern die Miete ihrer Wohnung mit der Familienbeihilfe für ihr Kind bezahlen müssen.
. wir wollen nicht, dass durch dieses neue Gesetz die
Kinderarmut in der Steiermark steigt.
. und wir wollen nicht, dass Delogierungen in unserem Land
wieder zunehmen.
Wir wollen Mut machen
Wir demonstrieren heute nicht aus Jux und Tollerei.
Wir sind heute auf der Straße, weil wir in den letzten Wochen immer wieder von Frauen, Männern und Familien gehört haben, dass sie Verlustängste haben und nicht mehr weiter wissen.
Weil wir gesehen haben, dass den meisten von ihnen zum Leben nicht mehr als 200 bis 400,- Euro im Monat verbleiben.
Weil wir miterlebt haben, dass von der Politik alles Ersparte über 4.188,- Euro plötzlich als Vermögen angesehen wird und man beweisen muss, dass man das auch wirklich zum Leben braucht.
Und liebe Anwesende weil wir darüber Zorn, Enttäuschung,
Demütigung und Tränen bei den Betroffenen erlebt haben.
Wir demonstrieren heute aber vor allem, weil wir allen Mut machen wollen. Wir beweisen hier und heute, dass man nicht alles hinnehmen muss und dass man sich nicht immer alles gefallen lassen darf.
Veröffentlicht: 12. Oktober 2016