Unsere Verantwortung heißt Eintreten für die arbeitenden Menschen
Ansprache von Elke Kahr auf der KPÖ-Maikundgebung in Graz
Wir gehen heute am 1. Mai auf die Straße, weil das notwendig ist. Hunderttausende Menschen zeigen heute auf der ganzen Welt, dass sie eine Kraft sind, die sich wehrt und die sich die Straße nicht nehmen lässt. Unsere Zeit: Das ist nicht die Zeit der schönen Worte. Das ist auch keine Zeit, in der es der großen Mehrheit der Bevölkerung immer besser gehen würde. Es ist nicht die Zeit, an dem der 1. Mai nur mehr einen Volksfestcharakter haben kann. Es ist auch keine Zeit, in der sich ein Landeshauptmann Voves, der den größten sozialen Rückschritt in der Steiermark zu verantworten hat, unwidersprochen als soziales Gewissen feiern lassen darf. Deshalb sind wir auf der Straße. Die gesellschaftlichen Kräfte, die in der Steiermark, in Österreich, in der EU und im Weltmaßstab am Ruder sind, lassen nämlich nur eine Logik gelten: Die Logik des maximalen Profits.
Fabriken werden zugesperrt, die Arbeiterinnen und Arbeiter landen auf der Straße: Für die Oberen ist es sehr wichtig, dass das als Schicksal und als unumstößlich hingenommen wird. Milliarden und Abermilliarden von Steuergeldern werden für die Rettung der Banken ausgegeben. Deshalb kürzt man Sozialleistungen und privatisiert man öffentliches Eigentum, wo es nur geht. „Schicksal, notwendig, ohne Alternative“: So reden die Meinungsmacher Tag für Tag und sie hoffen darauf, dass sich die Menschen das einreden lassen. „Da kann man halt nichts machen“. Diesen Satz hören die Macher aus dem Munde der Krisenopfer am liebsten. Sie können dann nämlich davon ausgehen, dass die Menschen den Angriff auf ihre Lebensinteressen ohne großen Widerstand hinnehmen werden.
Gegen das Ohnmachtsgefühl
Der 1. Mai als Kampf- und Feiertag der arbeitenden Menschen ist aber seit 1890 genau der Gegenbeweis zu dieser Haltung. Wofür ist man damals auf die Straße gegangen? Für den 8-Stundentag. Was haben die Unternehmer und die Regierungen zu dieser Forderung gesagt? „Unmöglich, nicht finanzierbar, das würde Arbeitsplätze kosten.“ und so weiter. Und man hat aus Furcht vor den Massen der Arbeiter nicht davor zurückgeschreckt, das Militär gegen sie zu richten. Die Argumente der anderen Seite haben sich seit damals nicht geändert. Deshalb dürfen wir uns auch nicht irre machen lassen. Der Gewerkschaftliche Linksblock fordert wie die KPÖ Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Das ist finanzierbar. In einer Zeit, in der das Geschäft mit sündteuren Autos, mit Yachten und mit feudalen Landsitzen blüht, in einer Zeit, in der man so nebenbei erfährt, wie viele Millionen nur ein einziger Steuerhinterzieher auf die Seite gebracht hat, ist es nur selbstverständlich, wenn wir auf diesen Forderungen beharren. Wir haben dabei eine große Aufgabe vor uns: Wir müssen den Kampf um das Bewusstsein der Menschen führen und dabei schlauer als die Verhältnisse werden. Es kommt darauf an, im richtigen Moment das Richtige herauszufinden, nämlich jene Fragen, die in der Wirklichkeit eine feste Verbindung zwischen unserer Bewegung und den Wünschen, Gefühlen und Forderungen der Menschen zustande bringen. Das mag nicht einfach sein. Aber wir haben in der großen Bewegung der Plattform 25 gegen den Sozialabbau in der Steiermark gesehen, dass es gelingen kann, zumindestens das Ohnmachtsgefühl, von dem ich gesprochen habe, zu überwinden.
Weg mit dem Regress!
Und die breite Front, die sich in den letzten Wochen gegen den steirischen Pflegeregress gebildet hat, gibt ebenfalls Hoffnung darauf, dass sich die Leute nicht mehr alles gefallen lassen. Wir sammeln jetzt Unterschriften gegen diese Belastung, die es nur mehr in der Steiermark gibt. Und wir erfahren Tag für Tag neue Beweise für unsere Haltung und Unterstützung von Menschen, die sich selbst bis vor kurzem nicht vorstellen hätten können, dass sie sich mit ihren Sorgen und Problemen an die KPÖ wenden würden. Unser Landeshauptmann hat den Pflegeregress im Landtag aber wörtlich „die zweitbeste Lösung“ genannt. Das beweist uns, dass er nicht Tag für Tag mit den vielen Menschen zu tun hat, die unter dieser unsozialen Belastung leiden und nicht wissen, wie sie sich ihr Geld einteilen können. Das tägliche Leben ist etwas anderes als die kühlen Kalkulationen in der Landesregierung. Wer stur am Pflegeregress festhält, nachdem er in Kärnten abgeschafft worden ist, kann noch so viel von sozialer Verantwortung reden: Er hat in diesem Fall das Herz ausgeschaltet. Der Regress ist eine schlechte Lösung. Er muss einfach weg. Die Landesregierung hält trotzdem stur an dieser Belastung fest.
Genau so stur, wie sie monatelang auf die Privatisierung des LKH West beharrt hat. Der große Druck von unten hat in diesem Fall zu einem Umdenken geführt. Deshalb ist unsere Unterschriftensammlung „Weg mit dem Regress“ so wichtig. Zeigen wir in großer Zahl, dass wir uns das nicht gefallen lassen. Sammeln wir im Bekanntenkreis, auf der Straße, in der Nachbarschaft. Unsere Stimme soll so stark sein, dass sie auch im Landhaus und in der Burg nicht mehr überhört werden kann.
Wohnen ist kein Ware!
Wohnen macht arm! Die KPÖ weist schon seit vielen Jahren auf diese Tatsache hin. Und wir reden nicht nur, sondern tun auch durch unsere konkrete Arbeit tagtäglich etwas dagegen. Jetzt reden alle Parteien vom teuren Wohnen und machen, wenige Monate vor der Nationalratswahl ihre Vorschläge. FP, ÖVP und SPÖ haben erst vor ein paar Jahren die Zweckbindung der Wohnbaufördermittel abgeschafft. Sie haben die Wohnbaudarlehen verkauft.
Jetzt sagen sie, dass sie dieses sinnvolle Instrument wieder einführen wollen. SPÖ, ÖVP und FP erhöhen auf der einen Seite die Betriebskosten durch die Tarifautomatik bei Kanal, Müll Wasser und die ständigen Steigerungen der Wohn- und Heizkosten. Auf der anderen Seite wundern sie sich darüber, dass die Wohnkosten für immer mehr Menschen nicht mehr tragbar sind. Es ist aber zu befürchten, dass die grundlegende Frage nicht angegangen wird: Wohnen ist nämlich keine Ware. Das Dach über dem Kopf darf nicht der Profit- und Geschäftemacherei untergeordnet werden. Auch die Grazer Rathaustroika von ÖVP, SPÖ und FP hat nach 20 Jahren und mit großer Verspätung das Thema Wohnen entdeckt und macht einen Vorschlag nach dem anderen. Wie schauen diese Vorschläge aber aus?
FP: Nur wer perfekt deutsch spricht, soll eine Gemeindewohnung bekommen.
ÖVP: Familien, die künftig etwas mehr verdienen, sollen künftig mehr Miete bezahlen oder ausziehen. Einführung von befristeten Mietverträgen für junge Menschen bis 27 Jahren, dann ab in den privaten und teuren Wohnungsmarkt. Regelmäßige Gehaltskontrollen.
Und die SPÖ sagt dazu nicht Nein und stimmt – entgegen der Wahlkampflinie ihrer Bundespartei – im Rathaus immer brav mit ÖVP und FP. Abgesehen davon, dass diese Politiker die Probleme der Menschen bestenfalls vom Hörensagen kennen, haben ihre Vorschläge nur eines zum Ziel: Neid, Bespitzelung und noch mehr Druck genau auf jene Menschen, die es schon jetzt schwer genug im Leben haben. Und gleichzeitig sind es genau jene Parteien – ÖVP, SPÖ und FP –, die genau jetzt in unverschämter Weise beschlossen haben, die Parteienförderung um 50 Prozent auf 2,3 Millionen Euro jährlich zu erhöhen. Das ist einfach nur empörend. Jetzt versteht man besser, warum diese Rathaustroika und unter dem Schlagwort „Gesamtverantwortung“ ausgegrenzt haben. Die Verantwortung für diesen Griff in den Steuertopf hätten wir auf keinen Fall übernommen.
Wir sagen auch an diesem 1. Mai ganz entschieden Nein zu dieser Erhöhung der Parteienförderung. Aber zurück zum Wohnen. VP und SP wollen vergessen machen , dass man ja selbst verantwortlich für die unhaltbaren Zustände ist.
Wichtig wäre aber, Tag für Tag und Schritt für Schritt auf dem Weg zu gehen, den (auch in einer Zeit der Krise) das „Rote Wien“ seinerzeit gegangen ist: Wohnraum schaffen, der für die Mehrheit der Bevölkerung bezahlbar bleibt und diese Reform durch eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums finanzieren. Das kann nur die öffentliche Hand und das darf man nicht den Privaten überlassen. Mit Plakaten in roter Farbe – wie sie die SPÖ derzeit überall hängen hat – ist es nicht getan.
Die SPÖ hat auch in dieser Frage schon lange ihre Glaubwürdigkeit verloren. Die KPÖ wird weiterhin dafür eintreten, dass das Wohnungswesen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge organisiert und so weit wie möglich den Marktmechanismen entzogen wird. Wohnen darf keine Ware wie jede andere sein. Die sogenannte Reformpartnerschaft im Land und die Rathaustroika machen es schwer, eine Auswahl der Themen für die heutige Rede zu treffen. Es gäbe so viel zu sagen und zu kritisieren: Von der Tariferhöhung im steirischen Verkehrsverbund über die höheren Parkgebühren in Graz bis zur Privatisierung von kommunalen Einrichtungen in vielen steirischen Städten. Schulen werden geschlossen, Gemeinden werden über die Köpfe der Menschen hinweg zusammengelegt, gleichzeitig leistet man sich immer noch Millionenausgaben – von der SKI-WM in Schladming über den Flugtag im Aichfeld bis zu undurchsichtigen Förderungen für Großkonzerne.
Die EU kommt uns zu teuer
Die herrschende Politik erfüllt die Vorgaben von EU, Banken und Konzernen nach Punkt und Beistrich. Ich wundere mich nur noch darüber, dass es bei uns noch Leute gibt, diesich darüber wundern können, dass die Zustimmung zu EU und Euro auch in Österreich ein historisches Tief erreicht hat. Die Rekordzahl an Arbeitslosen in der EU zeigt, dass die EU den arbeitenden Menschen nicht nützt, sondern schadet. „Die EU kommt uns zu teuer“. Dieser Plakatspruch der KPÖ ist vor zehn Jahren bei vielen noch auf Widerspruch gestoßen. Jetzt sind die Ersparnisse in der EU nicht mehr sicher. Niemand weiß, wie lange noch Geld aus dem Bankomaten kommt.
Die EU ist für uns alle eine sehr teure Angelegenheit geworden. Doch nicht genug damit, dass wir alle zahlen müssen. Auch die öffentliche Wasserversorgung wird durch die EU gefährdet, die Saatenvielfalt wird in Frage gestellt. Die steirische KPÖ sagt deshalb Nein zur EU und unterstützt die großen Demonstrationen, Streiks und Kämpfe in einigen Mitgliedsstaaten gegen das EU-Diktat. Der Sozialabbau in Österreich erfüllt nämlich die gleichen Vorgaben wie der Sozialabbau in Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien. Hier nützt die Macht- und Geldelite Europas die Krise aus, um ihr Konzept durchzuziehen.
Die selbsternannten Friedensnobelpreisträger von der EU setzen dabei auch immer stärker auf das Militär und haben im Kampf um Wirtschaftseinfluss und Ressourcen gar nichts gegen Kriege. Ein Blick in den Nachrichtensendungen des Fernsehens zeigt, dass Krieg schon fast wie etwas Normales, Alltägliches dargestellt wird. Der 1. Mai muss deshalb auch ein Kampftag für Frieden, Abrüstung und Neutralität sein. Die Geschichte der letzten Jahrzehnte hat angesichts der beiden Weltkriege den 1. Mai auf das engste mit Lebensfragen der Menschheit, insbesondere der Sicherung des Friedens, des Kampfes für konsequente Abrüstung und des Schutzes der Ressourcen unseres Erdballs für die künftigen Generationen verknüpft. Auch dafür wollen wir eintreten.
Am 1. Mai gehen wir gegen Spardiktate und für mehr Gerechtigkeit auf die Straße. Wir setzen der Logik des Kapitals und des Sozialabbaus die Forderungen der Arbeiterbewegung entgegen. Und wir tun das in der Steiermark nicht ohne die Unterstützung großer Teile der Bevölkerung. Die Gemeinderatswahl in Graz und zuletzt die Gemeinderatswahl in Trofaiach haben das bewiesen. Wir sind anders als die anderen. Wir wollen gemeinsam mit den arbeitenden Menschen ein Gegenmodell zur herkömmlichen Politik schaffen. Auf diesem Weg sind wir in Graz und in der Steiermark schon ein gutes Stück vorangekommen. Diesen Weg wollen wir auch weiter gehen. Als selbständige und bündnisfähige Kraft, als eine Arbeiterpartei, die den Menschen eine politische Heimat gibt, die glaubwürdig für Gerechtigkeit, Respekt und Solidarität eintritt und die nicht vergessen hat, was der 1. Mai bedeutet.
Veröffentlicht: 2. Mai 2013