Grundrecht auf Mobilität bleibt Richtschnur
Rede von Stadträtin Elke Kahr zum Doppelbudget 2017/18
Rede von Stadträtin Elke Kahr zum Budget 2017/18
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Geschätzte Stadtrats- und GemeinderatskollegInnen!
Für ein Grundrecht auf Mobilität
Das Verkehrsressort scheint in der Stadt Graz nicht sehr beliebt zu sein, wenn man die Häufigkeit des Wechsels bei den politisch Zuständigen im Rathaus anschaut. Landläufig heißt es, mit dem Verkehr ist kein Blumentopf zu gewinnen und das Ressort wird als „Wanderpokal“ bezeichnet. Nun, es ist schon richtig, dass diese Materie konfliktreich und, vor allem unter großer Beteiligung vieler engagierter Menschen, oft auch nach dem Floriani-Prinzip geführt wird: Wie es in Österreich 8 Mio. Teamchefs im Fußball gibt, gibt es in Graz 280.000 VerkehrsexpertInnen.
Das Soziale mit dem Ökologischen verbinden – Vorrang für ÖV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr
Andererseits: Die Frage danach, wie das Mobilitätsbedürfnis der BewohnerInnen einer Stadt abgedeckt werden kann, ist für eine Stadt eine zentrale Herausforderung, ein Prüfstein für das Funktionieren kommunaler Dienstleistungen schlechthin. Und wie man weiß, geht es bei dieser Frage nicht nur um die GrazerInnen und Grazer, sondern um zigtausende EinpendlerInnen und AuspendlerInnen, berufliche und touristische Gäste. So gesehen ist es eine wirkliche Herausforderung, wie die verschiedenen Verkehrsströme, die unterschiedlichen Verkehrsmittel unter einen Hut, in einen Rahmen zu bringen sind, um einerseits eben den Erfordernissen des fließenden und ruhenden Verkehrs, andererseits dem Wunsch nach einem lebenswerten, vielfältig und sicher nutzbaren Stadtraum nachzukommen.
Die KPÖ tritt für ein Grundrecht auf Mobilität ein.
Es ist unverzichtbar für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Mobilität muss sicher, unfallfrei und ohne Umweltbelastung vonstattengehen. Deshalb braucht es eine Verkehrspolitik, die das Soziale mit dem Ökologischen verbindet. Und deshalb muss Verkehrspolitik in einer Stadt auch so angelegt sein, dass bei der Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse dem ÖV, dem Fahrrad- und Fußgängerverkehr Vorrang eingeräumt wird.
Die eigenen Zielsetzungen nicht ernst zu nehmen, das ist Politikversagen.
Ich denke, die Stadt sollte sich an ihren eigenen Zielen orientieren. Beginnend bei Erich Edegger als Begründer der Sanften Mobilität über „Platz für Menschen“ bis hin zur aktuellen Verkehrsstrategie und zum Maßnahmenprogramm: Der Kurs, den wir gehen müssen, ist klar, wir müssen ihn nur auch umsetzen. So gesehen ist es ernüchternd, dass man im Zuge der Herrengassen-Entlastung und der Südwest-Linie 8-Vorplanung trotz eines Grundsatzbeschlusses im Gemeinderat, wieder erneut diskutieren möchte. Ein Schelm, wer Böses denkt, aber es ist schon ein gerüttelt Maß an Politikversagen, wenn man die eigenen Zielsetzungen nicht ernst nimmt und dann nicht wenigstens konsequent genug ist zu sagen, jetzt nehmen wir Geld in die Hand, suchen uns Partner und bringen die Ausbauvorhaben, die unumstritten sind – wie Reininghaus, Smart City, Innenstadtentflechtung, Lange Straßenbahnwagen und das Buskonzept Graz West - im wahrsten Sinne des Wortes endlich auf Schiene.
ÖV ist Rückgrat des Verkehrssystems – Verbessertes Angebot und stabile Tarife erleichtern das Umsteigen
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der ÖV bildet das Rückgrat des Verkehrssystems. Das Fahrrad ist unschlagbar effizient, supergünstig und noch dazu auch gesund. Aber die größere Last des Verkehrsgeschehens wird auch in Zukunft von Straßenbahnen und Bussen getragen werden, mehr noch, wir müssen sie ausbauen und attraktivieren, um den Menschen eine echte Alternative zum Auto bieten zu können. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie ist auch weitgehend Konsens: Leider fehlt aber der Schritt zur Umsetzung, sich klar zur Notwendigkeit des Ausbaus zu bekennen und zu den eigenen Beschlüssen zu stehen.
Ich halte ehrlich gesagt nichts davon, wieder einmal alternative Systeme zu untersuchen und damit weiter Zeit zu verlieren.
Ein ebenso großes Anliegen wie jenes, den Ausbau und das Angebot des ÖV zu verbessern, ist es mir, die Versorgung mit Öffentlichem Verkehr zu leistbaren Preisen zu garantieren. Da ist uns mit der vergünstigten Jahreskarte und der Jahreskarte Sozialcard-Mobilität viel gelungen; das müssen wir halten, ein verbessertes Angebot bei stabilen Tarifen bieten – dann wird das Umsteigen gelingen, dann können wir auch einfordern, das Auto stehen zu lassen oder überhaupt aufs eigene Auto zu verzichten und auf Modelle wie Carsharing in Ergänzung zum ÖV zurückzugreifen.
Reduzierung zu hoher Geschwindigkeiten, Bevorzugung der ungeschützten VerkehrsteilnehmerInnen, mehr Lebensqualität
„Es gibt ein Grundrecht auf Mobilität, und dieses Angebot muss sozial und umweltverträglich bereitgestellt werden“. Zu dieser Aussage, die ich zu Beginn meiner Arbeit als Verkehrstadträtin machte, stehe ich hundertprozentig. Wir wollen das Auto nicht verteufeln, sondern uns für eine sinnvolle Nutzung einsetzen, wir wollen die AutofahrerInnen nicht gängeln, ihnen aber ein Angebot machen, das ein Umsteigen interessant und zumutbar macht.
Unter dem Titel der menschengerechten Stadt fallen auch andere verkehrsorganisatorische Maßnahmen, die auf eine Reduzierung der zum Teil zu hohen Geschwindigkeiten und auf die Bevorzugung der ungeschützten VerkehrsteilnehmerInnen, sprich RadlerInnen und FußgängerInnen, abzielt. Die Infrastruktur, die wir diesen Gruppen von sanft Mobilen zur Verfügung stellen, muss ausgebaut werden, ganz im Sinn der „Stadt der kurzen Wege“.
Durchwegungen bei Bebauungsplänen müssen immer mitgedacht werden und Maßnahmen wie Wohn- und Schulstraßen im Sinne von mehr Lebensqualität für AnrainerInnen und Schutz für Kinder realisiert werden.
Gerade letztere Maßnahmen, wie auch die Sensibilisierung für ein anderes Miteinander auf der Straße, Kampagnen für mehr Rücksichtnahme, kosten nicht die Welt und sind bei gutem Willen von allen Beteiligten rasch umsetzbar.
Minibudget für Kleinprojekte geht zu Lasten der schwächsten VerkehrsteilnehmerInnen
Umso unverständlicher ist es, dass, abgesehen von den großen ÖV-Projekten, der Budgettopf für kleinere Projekte drastisch ausgedünnt worden ist: Statt wie 2016 3,5 Mio. Euro steht in der AOG nur noch 1,0 Mio. Euro zur Verfügung. Damit sollen wir Maßnahmen wie Gehsteige und Radwege ausbauen, dazu nötige Grundstückseinlösen vornehmen, Wohnstraßen errichten, bewusstseinsbildende Kampagnen starten, Subventionen für Veranstaltungen und NGO`s sicherstellen. Wissen Sie eigentlich, meine Damen und Herren, dass man damit gerade einmal 500 Meter Geh- und Radwege schaffen kann? Ich finde diese Vorgehensweise sehr betrüblich und sie wirft eigentlich kein gutes Licht auf diejenigen, die diese Bemühungen offenbar nicht genug wertschätzen und glauben, so einer politischen Mitbewerberin am Zeug flicken zu können. Dabei wird vergessen, dass durch eine solche Politik die Leidtragenden jene sind, welche wir am meisten schützen müssen, nämlich die FußgängerInnen. Und da vor allem unsere Kinder.
Wie schon am Anfang meines Beitrages erwähnt – geht es manchen hier im Haus offenbar noch immer vielmehr um den Wanderpokal und den Blumentopf als um die Interessen der Leute.
Trotzdem, meine Damen und Herren, habe ich die Absicht, dranzubleiben und mich auch nicht durch diese drastischen Kürzungen entmutigen zu lassen. Dranbleiben in dem Sinne, dass im Sport ein Wanderpokal nach Erfolgen ja auch fix vergeben wird – im konkreten Fall für Engagement im Interesse einer menschen- und umweltfreundlichen Mobilität.
In den Abteilungen und bei der Holding Graz wird tagtäglich ein enormes Arbeitspensum geleistet
Sehr geehrte Damen und Herren!
In den letzten Wochen und Monaten konnte ich mich durch die hohe fachliche Kompetenz meiner MitarbeiterInnen im Verkehrsplanungs- und Straßenamt, im Parkgebührenreferat, der MitarbeiterInnen der Holding Graz-Linien und im Bereich Straßenraum rasch einarbeiten. Dafür möchte ich mich auch ganz herzlich an dieser Stelle bedanken. Tagtäglich wird ein enormes Arbeitspensum in allen Abteilungen und bei der Holding Graz für die Bevölkerung geleistet und das sehr oft bei zu knappem Personalstand. Der wertschätzende Umgang aller KollegInnen ist beeindruckend und es grenzt eigentlich schon fast an ein Wunder, dass bei den häufigen politischen Wechseln im Verkehrsressort die Überzeugung und der Arbeitswille ungebrochen sind.
Geschätzte KollegInnen!
Ich bin jetzt 12 Jahre in der Stadtregierung und ich habe die Zusammenarbeit mit allen Abteilungen in unserer Stadt Graz sehr zu schätzen gelernt. Ohne diese Zusammenarbeit und Unterstützung geht gar nichts. Dafür möchte ich mich bei allen Bediensteten bedanken.
Bedanken möchte ich mich aber vor allem auch bei allen Mitgliedern im Verkehrs- und Planungsausschuss und den Vorsitzenden Gemeinderat Topf und Gemeinderat Piffl-Percevic für die gute Zusammenarbeit.
Der Dank gilt auch meinen StadtratskollegInnen und Kollegen Stadtrat Riegler, wo wir in den letzten Monaten Gespräche durchaus in sachlicher Atmosphäre geführt haben. Sie waren noch nicht immer übereinstimmend, aber ich denke, wir haben einen Weg gefunden, auf dem wir noch aufbauen können.
Veröffentlicht: 29. Juni 2017