Verkehr: Ist Graz für die Zukunft gewappnet?
Elke Kahr berichtet über Arbeitsschwerpunkte
Lesezeit: 8 Minuten
Beim vielschichtigen und kontroversiellen Thema Verkehr geht es in erster Linie um das Mobilsein der Menschen und wie dies möglichst sicher, sozial und ökologisch verträglich stattfinden kann. Und es geht um die dazugehörige Infrastruktur, die im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung zu sehen ist: Und die stellt bekanntermaßen mit einem Zuwachs von rund 5.000 Menschen im Jahr in unserer Stadt plus massiver Pendlerströme eine große Herausforderung dar. Die Frage, die sich stellt, ist: Sind wir für diese Ansprüche in Zukunft gewappnet, noch dazu mit der Auflage, eine Verbesserung der Luftqualität zu erreichen und die Stadt lebenswerter zu machen?
Projekte, die der „sanften Mobilität“ dienen, nicht verhindern.
Die Stadt Graz hat einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr und einen traditionell starken Radverkehrsanteil und wir haben flächendeckend Tempo 30 (ausgenommen Vorrangstraßen). Die Wege, die mit dem Rad, zu Fuß und mit dem öffentlichen Verkehr zurückgelegt werden, haben einen Anteil von 53 Prozent – es könnten mehr sein, geht es nach den beschlossenen Zielen im Mobilitätskonzept und auch nach meinen Vorstellungen. Bis 2021 sollten es 63 Prozent sein. Ob wir diesen Anspruch erfüllen, hängt einzig und allein davon ab, Projekte die zur Erfüllung dieser Ziele dienen, nicht zu verhindern.
Das Thema Verkehr greift direkt in das Leben aller Menschen ein.
Deshalb sind die Erwartungen groß. Groß ist aber auch die Versuchung für manche politische Kräfte, hier politisches Kleingeld auf Kosten der Bevölkerung zu sammeln. Es ist notwendig, nüchtern auf die Rahmenbedingungen hinzuweisen. Die aktuelle Rathauskoalition hat die Verkehrskompetenzen aufgesplittert. Das erleichtert die Arbeit nicht unbedingt. Durch die gute Zusammenarbeit aller mit dem Verkehr betrauten Ämter und Abteilungen und der Holding Graz ist jedoch vieles gelungen. Denn gemeinsam ist es darum gegangen, die Mobilität mit Straßenbahn, Bus, Fahrrad und zu Fuß zu fördern und die mit dem Auto zurückgelegten Wege zu reduzieren. In einigen Bereichen gibt es positive Entwicklungen: So sind die Unfälle zurückgegangen und die Erreichbarkeit von Nahzielen (Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen oder Nahversorger) ist deutlich angestiegen. Das ist ganz im „Sinne einer Stadt der kurzen Wege“ wie eines der Mobilitätsziele heißt.
2019 Start für Straßenbahnausbau
2019 steht auch im Zeichen des Startschusses für den Ausbau des Straßenbahnnetzes. Beginnend mit der Erschließung der Reininghausgründe mit der neuen Linie 4 folgen dann die neue Linie 6 zur Smartcity sowie die Innenstadtentflechtung. Damit Hand in Hand gehen größere bauliche Maßnahmen, konkret ab Februar 2019 der Ausbau der GKB-Unterführung in der Alten-Post-Straße. Dies bedeutet auch Einschränkungen für den Verkehr in diesem Bereich, weshalb ich schon jetzt um Verständnis sowohl von den VerkehrsteilnehmerInnen als auch seitens der AnwohnerInnen und Gewerbetreibenden ersuchen möchte. Die Verbesserung und der Neubau der Infrastruktur, die wir morgen im Alltag benötigen und selbstverständlich nutzen, muss zuerst geschaffen werden, und das ist – trotz aller Bemühungen um Koordination und Planung - mit vorübergehenden Störungen und Geduldsproben verbunden. Ich möchte nur darauf verweisen, dass pro Jahr rund 4500 Baustellen und baustellenbedingte Materiallagerungen angesucht und abgewickelt werden. Die Baustellenkoordination des Straßenamtes, leistet hier hervorragende Arbeit, stellt aber gleichzeitig eine riesige Herausforderung dar.
Anstieg von Bau- und Infrastrukturprojekten braucht mehr Personal in den Ämtern und bei den Beteiligungen.
Neben der täglichen Arbeit bringt sich das Straßen- und Verkehrsplanungsamt verstärkt in den Planungsprozess der anderen Planungsabteilungen ein (Stadtteilentwicklung, Bebauungspläne, Fachbeiräte, Bauverfahren uvm.). Das ist gut so und auch notwendig, um bei den stark ansteigenden Bauprojekten, den verkehrlichen Rahmenbedingungen mehr Gewicht zu verleihen. Diese Arbeit ist jedoch sehr, sehr zeit- und personalintensiv, weshalb ich auch bei der heutigen Budgetsitzung dringend ersuchen möchte, neben der budgetären auch die personelle Vorsorge dafür zu sichern.
Es geht um Planungssicherheit und um qualitätsvolle Verfahren, dazu braucht es aber auch das entsprechende Personal. Das gilt auch für die gesamte Holding und die Beteiligungen. Unsere Straßen, Plätze und Grünanlagen werden immer mehr, deshalb muss in der Reinigung, Pflege und Erhaltung auch das Personal entsprechend nachbesetzt und ausgebaut werden. Dasselbe gilt auch für die Kollegen der städtischen Müllabfuhr. Die Straßenbeleuchtungsoffensive ist positiv, die Kollegen der Energie Graz müssen aber personell auch in die Lage versetzt werden, sie umzusetzen. Und auch bei den Bus- und StraßenbahnfahrerInnen braucht es immer die entsprechende personelle Aufstockung. Kurzfristig wechselnde Schichten und eine immer schwieriger werdende Vereinbarkeit von Beruf und Familie machen es den Betroffenen sehr schwer und es wundert nicht, dass es unter diesen Umständen oftmals schwer ist, Personal zu bekommen. Buslinien deshalb privat zu führen darf nicht die Alternative werden.
Öffi-Fahrgastzuwachs von 2,7 Prozent
Mit dem Straßenbahnnetzausbau ist auch der Ausbau des Fuhrparks verbunden. In den vergangenen Jahren gab es einen Fahrgastzuwachs von 2,7 Prozent pro Jahr bei aktuell 180.700 EinsteigerInnen am Werktag. Geht das – hoffentlich – so weiter, kommen wir schon ohne die ab 2021 bzw. 2023 fertiggestellten neuen Linien in Kapazitätsprobleme. Deshalb haben wir – Finanzstadtrat Günter Riegler und ich - im letzten Kontrollgremium auch dem Ankauf von mindestens sechs, besser acht neuen Garnituren zugestimmt. Wichtig ist mir hier vor allem, dass das Auswahl- und Testverfahren sorgfältig durchgeführt wird, jedenfalls besser als dies in der Vergangenheit der Fall war.
2019 Politische Willensbildung für weitere Straßenbahnprojekte
Notwendig ist auch, dass parallel zu diesem Ausbauschritt bereits der nächste konkret in Planung genommen wird: auf Basis der Hüsler-Folgestudie sollen die besten Varianten betrieblich und betriebswirtschaftlich bewertet werden und dem Gemeinderat 2019 zur Diskussion vorgelegt werden:
- Nahverkehrsknoten Südbahn in Gösting. (Höhe Exerzierplatzstraße),
- Nahverkehrsknoten GKB in Reininghaus. (Höhe Wetzelsdorferstraße),
- 2. Bauabschnitt Südwestlinie, von der Hummelkaserne über die Peter Roseggerstraße in die Straßgangerstraße.
- Nordwestlinie, vom Roseggerhaus bis zur Viktor-Franz-Straße.
- Verlängerung Linie 5, von Puntigam zum Center West (mit Park & Ride Anlage)
Auch im Busnetz stehen 2019 weitere Neuerungen bevor, wobei ich hier die neue Tangentiallinie 66 von Grottenhof nach St. Peter und den Vollausbau der Linie 62 Puntigam – Carnerigasse herausgreifen möchte. Auch die Buslinie Mariatrost – Fölling ist aus meiner Sicht nächstes Jahr in Umsetzung zu bringen.
Günstige Öffi-Tarife – sozial und umweltpolitisch notwendig
Auch wenn in der Vergangenheit mit der vergünstigten Jahreskarte und der Sozialcard Mobilität wichtige Schritte zu einem leistbaren ÖV gelungen ist, sind wir im Verkehrsverbund weiter mit jährlichen Tarifanhebungen konfrontiert. In den kommenden drei Jahren werden wir im Schnitt beim 1,5-fachen des VPI liegen. Ein Aussetzen der jährlichen Tarifautomatik ist für uns weiter auf der Tagesordnung.
Zudem gibt es nach wie vor Tariflücken bzw. Benachteiligungen, die beseitigt gehören. Dazu gehört etwa die Koppelung der Seniorenermäßigung für Zeitkarten an die ÖBB-Vorteilscard sowie bestimmte Angebote, die mit der Sozialcard Mobilität nicht genutzt werden können, etwa dass Kinder, die das 6. Lebensjahr bereits vollendet haben, aber noch nicht in die Schule gehen, den Vollpreis zahlen müssen. SozialarbeiterInnen und die Caritas sind mit diesem Problem von Familien und Alleinerziehenden oft konfrontiert. Diese Ungleichbehandlung von nicht schulpflichtigen Kindern gehört abgestellt.
Die Bereitstellung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu verträglichen Tarifen ist Aufgabe der öffentlichen Hand und kein Almosen. Beispiele wie in Frankreich, wo 23 Verkehrsverbünde über eine Nahverkehrsabgabe das gesamte Busangebot gratis anbieten oder Luxemburg die das gesamte ÖV Angebot zum Nulltarif beschlossen haben, sind ein erklärter Ansporn meiner Fraktion. Umweltpolitisch auf Perspektive ist dies die einzig richtige Antwort, bei gleichzeitig kontinuierlichem Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Anwohnerparken
Dass das Anwohnerparken von der Gebührenanhebung betroffen ist, ist vor dem Hintergrund immer schwerer zu findender freier Parkplätze für die BewohnerInnen in der Innenstadt und in manchen Stadtteilen aus meiner Sicht zu voreilig. Nächstes Jahr werden wir einen Lösungsvorschlag präsentieren, die es jenen, die in der Stadt leben und trotzdem ein Auto brauchen und für den Stellplatz im Straßenraum auch zahlen, etwas leichter machen soll.
Fuß- und Radverkehr
Für das Radverkehrsnetz und den Fußverkehr wird es im kommenden Jahr viele Projekte geben, ein Teil davon ist schon in der Novembergemeinderatssitzung beschlossen worden. 15 Gehsteigerrichtungen und 9 Radnetzerweiterungen, sowie Planungen der gesamten Verkehrsinfrastruktur im Zuge der Schulausbauten in der Reininghausstraße 80, VS-NMS Puntigam, Andritz und Neuhart.
Einige Wünsche, werden auf ihre Machbarkeit hin angeschaut und weiterentwickelt, wie zum Beispiel der TU-Radweg („Bike-Highway“), eine gute Initiative, die aber noch nicht ausgegoren ist. Wenn um die 100 Stellplätze in einem Gebiet wegfallen, wo ohnedies enormer Parkdruck herrscht, ist eine zumindest teilweise Substitution etwa in Form einer Anwohnergarage erforderlich.
Was den „ruhenden Radverkehr“ betrifft, startet eine Verdichtung und Standardverbesserung von Radabstellanlagen in der Innenstadt. Parallel wird auch noch genauer auf die Freihaltung von Radabstellanlagen und Straßenraum von nicht mehr gebrauchstüchtigen Fahrrädern geschaut; die Mittel hierfür wurden für 2019 aufgestockt. Bei der Gelegenheit möchte ich auch auf die Wiederaufarbeitung von Schrotträdern verweisen, die seit anderthalb Jahren dankenswerterweise vor allem über das sozialökonomische Projekt Bicycle erfolgt.
Und es sind viele kleine Vorhaben, die aber lokal große Bedeutung haben, Durchwegungen im Zuge von Bebauungen, Zebrastreifen, Planungen von Haltestellenausbauten, Druckknopfanlagen, Beleuchtungen, weitere Wohnstraßen, die Wiedereinführung des betrieblichen Mobilitätsmanagementes (Beratung von Betrieben), Ausbau Radfahrtraining in Schulen: Begonnenes Projekt für 5. und 6. Schulstufe soll weitergeführt werden
Die Verkehrsplanung schaut darauf, dass die Stadtentwicklung im Einklang mit dem Mobilitätskonzept passiert, dass den Vorstellungen der Investoren auch ein Rahmen im Sinne der Zielsetzungen der Stadt vorgegeben wird. Da geht es um Flächensicherungen für Geh- und Radwege, Stellplatzschlüssel und Radabstellanlagen.
Konsumfreie Nutzungen im öffentlichen Raum fördern
Wichtig ist mir die Frage der Nutzung des öffentlichen Raums, wobei nicht die ohnedies schon überbordende Eventkultur auf den Plätzen und Straßen der Innenstadt gemeint ist, sondern um konsumfreie Nutzungen für möglichst viele Bevölkerungsgruppen. Hier ein besonderes Augenmerk zu legen, etwa durch temporäre oder auch dauerhafte Rückgewinnung von Verkehrsflächen für Aktivitäten vor Schulen oder durch von Bewohnerinitiativen organisierten Straßenfesten möchte ich weiterhin und vermehrt unterstützen.
- Zukunftsträchtige Vorhaben, von denen Impulse für eine neue Sicht und einen neuen Umgang mit der Mobilität ausgehen:
- Das erfolgreich angelaufene Carsharing-Modell „tim“ der Graz Linien, (das weiter mit dem VPLA ausgebaut wird)
- Das Projekt GrazLog: Installierung eines innerstädtischen Logistikzentrums – sogenannter „City-Hub“, Verteilzentrum, wo Lieferungen für die Innenstadt gebündelt und mittels E-Autos oder Lastenrädern auf die letzte Meile zu den Kunden geschickt werden sollen.
- Das Projekt „GUSTmobil“ in Graz. Ein Sammeltaxi für jene Gebiete, die ob der dünnen Besiedelung nicht vom regulären Öffentlichen Verkehr erschlossen werden können.
- Das Projekt EVIS-AT. Aufbau eines bundesweiten einheitlichen routingfähigen Straßengraphen. Bietet eine gesicherte Datengrundlage. Im Endausbau besteht die Möglichkeit kurzfristige Veränderungen (Baustellen, Veranstaltungen etc.) in dieses System einzufügen, um auf kurzfristige Störungen besser reagieren zu können.
- Projekt C-Road: Zur Entwicklung einer besseren Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur. Bsp. die Kommunikation von Einsatzfahrzeugen an die Straßeninfrastruktur zur verbesserten Ampelschaltung als auch zum Einsatzort.
- Projekt SoWas – Ziel – systemoffene Paketboxen für den öffentlichen und halböffentlichen Raum. Umsetzung 2019
- Projekt dynamischer Parkplatz: Mithilfe eines videoüberwachten Straßenabschnittes wird in einem Pilotversuch eine dynamische Parkplatzregelung ausgetestet. (Ladezone, Behindertenparkplatz) Dadurch soll knapper Straßenraum besser ausgenutzt werden können.
Gegenseitiger Respekt im Straßenraum
Wenn es um Mobilität geht ist, für mich auch das gute und von gegenseitigem Respekt getragene Zusammenleben im Straßenraum ganz wesentlich. Dabei setzen wir vor allem auf Bewusstseinsarbeit. Weil mit Information und Appellen leider nicht immer das Auslangen zu finden ist, muss auch mit Kontrollen und Überwachung für die Einhaltung der Regeln gesorgt werden. Deshalb erfolgte durch das Straßenamt die zusätzliche Ausrüstung mit Rotlichtkameras und mehr mobilen Radarmessungen, sowie Radarmessungen nun auch an fixen Standorten. Auch RadfahrerInnen müssen an die Spielregeln erinnert werden, auf Gehsteigen oder in Fußgängerzonen, wo sie zu Gast sind, und wo einige wenige, die das nicht respektieren, das Klima des guten Zusammenlebens schädigen. Großes Augenmerk werden wir weiter auf die Sicherheit rund um die Schulen legen, gestalterisch aber auch durch Schülerlotsen, mit denen alle nur gute Erfahrungen gemacht haben. Deshalb werden wir die Schülerlotsen 2019 zahlenmäßig aufstocken.
In den mehr als anderthalb Jahren als Verkehrsstadträtin kann ich sagen, dass ich durch die vielen KollegInnen in allen Ämtern und Abteilungen die ich verantworten darf, gut in das Thema Verkehr hineingewachsen bin. Sie alle stehen mir gut zur Seite und ich kann mich zutiefst auf die Tatkraft und die Expertise von hoch engagierten KollegInnen verlassen. Sie leisten ein enormes Arbeitspensum und das stets mit großer Kompetenz.
Vor uns liegen noch einige Jahre in dieser Periode. Ich bin zu einem konstruktiven Dialog mit allen politischen Kräften im Rathaus bereit. In diesem Sinne bedanke ich mich auch für die Zusammenarbeit mit allen Kollegen in der Stadtregierung.
Letztlich geht es beim Thema Verkehr und Mobilität immer darum, die Sorgen und Anliegen der Menschen ernst zu nehmen und gemeinsam mit ihnen und unseren Fachleuten Lösungen im Sinne des Gemeinwohls zu erarbeiten.
Veröffentlicht: 18. Dezember 2018