Sehenden Auges gegen die Wand fahren oder gegensteuern?
Rede zum Grazer Doppelbudget 2015/16 von Klubobfrau Ina Bergmann
Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates! Sehr geehrte Mitglieder der Stadtregierung! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer!
Das Budget, das wir heute beschließen werden, hat bereits im Vorfeld dieser Gemeinderatsitzung für viel Aufregung und Unruhe gesorgt. Für meine Fraktion ist es erstmalig, dass wir einem Budget unsere Zustimmung geben werden.
Es war auch erstmalig in diesem Haus, das die KPÖ-Fraktion zu ernsthaften Gesprächen eingeladen wurde. Über die Hintergründe dafür darf sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
Wir sind der Ansicht, dass die Grazer Bevölkerung uns gewählt hat, damit wir für sie und die Stadt so gut wie möglich arbeiten.
Die Erstellung dieses Budgets war für alle Beteiligten eine große Herausforderung, nicht nur für die Politik, sondern vor allem auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Finanzdirektion. Hier gilt unser besonderer Dank unserem Budgetexperten Michael Kicker, der uns mit seinem exzellenten Wissen bei den Verhandlungsrunden begleitet und uns bei vielen Fragen geholfen hat. Vielen Dank auch an Herrn Finanzdirektor Dr. Karl Kamper für die Geduld. Nach jeder Runde mussten die neuen Vorschläge und Wünsche in Zahlen gegossen werden, damit ein Überblick gewonnen werden konnte.
Der Dank gilt auch allen anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Finanzdirektion, im Stadtrechnungshof und in den Abteilungen. Ihre Arbeit und Unterstützung ist für uns Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sehr wichtig, um überhaupt Entscheidungen treffen zu können.
Warum hat sich die KPÖ entschlossen, dem Budget ihre Zustimmung zu geben?
- Es war uns erstmals möglich, genauere Einsicht in das Gesamtbudget zu erhalten.
- Man war bereit, über unsere Vorschläge ernsthaft zu reden und diese in Zahlen zu gießen
- Wir konnten für uns feststellen, dass das Budget keine Luftschlösser und Prestigeausgaben beinhaltet.
- Natürlich spielte auch die Bereitschaft, für uns wichtige Projekte und Forderungen umzusetzen, eine wesentliche Rolle.
Das bedeutet allerdings nicht, dass wir allem, was in diesem Budget verborgen ist, unwidersprochen unsere Zustimmung erteilen können. Vieles wurde von uns in der Vergangenheit scharf kritisiert und immer wieder in Frage gestellt, bzw. haben wir vor Folgen und Auswirkungen gewarnt.
Die Annahme, dass durch Ausgliederungen und Privatisierungen der Haushalt der Stadt Graz wieder saniert werden kann und die Stadt weniger Schulden haben wird, ist bis heute nicht eingetroffen.
Bis heute wurde fast das gesamte Vermögen der Stadt in die GBG ausgegliedert, um Geld für die Stadtkasse zu lukrieren, trotzdem stehen wir heute genauso vor der Frage, wie wir alle Aufgaben in Zukunft finanziell bewältigen sollen. Es war eben nur ein kurzer Geldsegen ohne Nachhaltigkeit.
Im Gegenteil, die Aufgaben und Herausforderungen für die Stadt werden immer größer und umfangreicher. Die finanziellen Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, reichen einfach nicht aus.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Stadt trotz großer Anstrengungen und Einsparungen im Verwaltungsbereich, wie z.B. Nulllohnrunden beim Personal, Aufgabenkritik, jährlichen Eckwertkürzungen, Abschaffung von Doppelgleisigkeiten und Ausgliederungen von Personal – Beispiel Reinigungskräfte – das Ruder nicht herumreißen kann.
In den Verhandlungen hat sich auch gezeigt, dass der vorgegebene Stabilitätspakt unter den heutigen Rahmenbedingungen in Zukunft nur mit gewaltigen Einschnitten bei Leistungen und mit Belastungen großen Ausmaßes für die Bevölkerung einzuhalten ist. Dies wird auch besondere Auswirkungen auf die Lebensqualität in Graz haben.
Es stellt sich die Frage, ob wir in Zukunft sehenden Auges an die Wand fahren werden oder ob rechtzeitig gegengesteuert werden kann und in welcher Form.
Graz ist, wie wir wissen eine wachsende Stadt. Wachstum ist in der Vergangenheit immer wieder mit mehr Einnahmen in Verbindung gebracht worden, mit denen man glaubte, die Stadtfinanzen verbessern zu können und man war stolz darauf.
Diese Rechnung geht jedoch ebenfalls nicht auf, wie wir vor kurzem erfahren haben. Trotz steigender Einwohnerzahlen wird die Stadt 2015 weniger Einnahmen aus den Ertragsanteilen bekommen. Dies verdanken wir der bisherigen Umverteilungspolitik von Bund und Land sowie einer Gemeindestrukturreform, welche zur Folge hat, dass Mittel aus dem Finanzausgleich aus Graz abfließen und den neu geschaffenen Gemeinden zugutekommen. Graz wird in diesem Fall die „Krot“ schlucken müssen.
Heute muss Wachstum auch von der anderen Seite betrachtet werden.
Wachstum bedeutet für Graz auch mehr Infrastruktur, mehr öffentlichen Verkehr, mehr Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, mehr Aufwand bei Müll und Kanal, mehr Sozialausgaben, mehr Arbeitslose u.v.m. Dies muss auch alles finanziert werden.
Die Ausgaben werden steigen und dies hat nichts mit „Über die Verhältnisse leben“ zu tun. Um in Zukunft alles bewältigen zu können, werden die Schulden zwangsläufig steigen, wenn an den finanziellen Strukturen nichts geändert wird.
Es gibt natürlich verschiedene Varianten, wie man sich dem Problem stellen kann. Die eine wäre der absolute soziale Kahlschlag und eine zusätzliche Belastungswelle für die Bevölkerung, wie ja die FPÖ sich das wünscht. Die andere wäre, für eine Umverteilung der finanziellen Mittel in Österreich zu sorgen und mit Nachdruck dafür zu kämpfen.
Damit wäre ich beim Finanzausgleich. 2015 werden die Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich beginnen, der die Weichen für die nächsten Jahre stellen wird. Es ist höchste Zeit, dass endlich die vielen Vorschläge und Konzepte, die es ja bereits gibt, umgesetzt werden. Viele zentralörtliche Aufgaben, die die Stadt Graz leistet, hier vor allem die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs, müssen auch Angelegenheit von Bund und Land sein. In großen Ballungszentren wie Graz wird auch die soziale Verantwortung gegenüber der Bevölkerung immer größer. Auch dafür wird zunehmend mehr Geld benötigt werden.
Es muss in den Verhandlungen eindringlich darauf hingewiesen werden, dass unsere Stadt mehr Mittel für die anstehenden Aufgaben benötigt, um alle Herausforderungen auch bewältigen zu können. Wir erwarten uns auch vom Land Steiermark in diesen Verhandlungen mehr Unterstützung. Es kann nicht sein, dass das Land Strukturveränderungen vornimmt und die Auswirkungen auf Graz außer Acht lässt.
Gerade in der Frage der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs braucht es neue Wege.
Hier müssen alle Ebenen, ob Stadt, Land, Bund, aber auch die Umlandgemeinden, zusammenwirken. Die Mobilität der Bevölkerung wird von allen eingefordert, ob aus Wirtschaft oder Politik. Die Menschen müssen immer weitere Wege zur Arbeit, zur Schule, aber auch zu Behörden und öffentlicher Verwaltung in Kauf nehmen. Ein städtisches, regionales und überregionales Verkehrskonzept, das gut zusammenspielt, inklusive einer entsprechenden Finanzierung, ist dringend notwendig.
Mit der günstigeren ÖV-Jahreskarte für alle Grazer und Grazerinnen ist ein neuer Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden. Die KPÖ hat ja seit Jahrzehnten bereits günstigere ÖV-Tarife gefordert.
Viele internationale Beispiele, auch in der EU, beweisen, dass dies mit gutem Willen funktionieren kann. Der Preis der Tickets ist mit Sicherheit für viele Menschen wesentlich, um auf den ÖV umzusteigen. Dies hat durchaus positive Auswirkungen auf die Feinstaubbelastung, aber auch auf die Geldbörsen der Bevölkerung.
Es ist wichtig, auch im steirischen Verkehrsverbund in Zukunft für ein Umdenken zu sorgen und immer wieder dafür einzutreten.
Arbeit und Beschäftigung
ist noch immer ein brisantes Thema in Graz und nicht nur in Graz. Viele Leute erhoffen sich, in der Stadt noch am ehesten eine Arbeit zu finden. Bereits bei meiner letzten Budgetrede 2013 hatte ich die steigenden Arbeitslosenzahlen angesprochen, dies hat sich bis heute nicht verändert. Im Gegenteil, die Arbeitslosenrate schnellt auch bei uns in die Höhe. Auswirkungen hat dies nicht nur bei den Einnahmen und Ausgaben der Stadt. Immer mehr Menschen rutschen in die Armut. Betroffen davon sind jedoch nicht nur Arbeitslose, auch viele Menschen mit Beschäftigung sind zunehmend von Armut bedroht.
Auch Menschen des klassischen Mittelstandes kommen immer mehr in Bedrängnis. Sie fallen durch jeden Rost und zahlen überall die volle Länge. Von den jährlichen Lohnerhöhungen bleibt nichts übrig, im Gegenteil, die jährlichen Preissteigerungen sind höher als das zusätzliche Einkommen. Wie soll hier unsere heimische Wirtschaft wachsen?
Die größte finanzielle Belastung für Menschen – egal ob Familien, Pensionistinnen und Pensionisten oder Singles – sind inzwischen die Wohnkosten. Mieten, Betriebskosten, Energie, Kautionen und Gebühren steigen von Jahr zu Jahr, für viele sind Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt kaum mehr erschwinglich.
Dies zeigt sich auch an der immer längeren Warteliste bei Gemeindewohnungen. Längst sind es nicht mehr nur „Sozialfälle“, sondern ganz normale, fleißige Bürger und Bürgerinnen, die sich die extrem hohen Mieten am freien Wohnungsmarkt nicht mehr leisten können. Viel Gerede von verantwortlichen Politikern in jüngster Vergangenheit hilft hier nicht weiter.
Gebührenautomatik ausgesetzt
Daher ist es für uns besonders wichtig, dass die Stadt in diesem Doppelbudget ein Zeichen setzt und die Gebührenautomatik bei Müll und Kanal für zwei Jahre ausgesetzt hat. Sicher ist es nur ein kleiner Betrag, aber es ist auch eine kleine Hilfe für jene Menschen, die nicht in Gemeindewohnungen wohnen und die immer und überall den vollen Preis zahlen, weil sie ein paar Euro mehr verdienen.
Die Stadt braucht mehr Gemeindewohnungen. Dies ist ein Fakt. Nur der Bau von Wohnungen durch die öffentliche Hand kann ein Gegengewicht zum immer unverschämter agierenden Immobilienmarkt sein. Um neue Gemeindewohnungen bauen zu können, braucht es auch geeignete Grundstücke. Nach dem Sonderwohnbauprogramm in der Periode 2008–2012 gab es bisher keine budgetierten Mittel zum Ankauf von Grundstücken. Daher ist es sehr positiv, dass in diesem Budget wieder Mittel dafür vorgesehen sind.
Mit einem neuen Wohnbaumodell der Stadt Graz soll es in Zukunft möglich sein, unabhängig von Wohnbaufördermitteln des Landes eigene städtische Wohnungen zu errichten, um den zunehmenden Bedarf abdecken zu können.
Der Kampf um Mittel aus dem Topf der Wohnbauoffensive des Bundes muss aufgenommen werden. Es kann nicht sein, dass Geld für leistbares Wohnbau zu Verfügung gestellt wird und diese Mittel dann auf Grund von nicht erfüllbaren Bedingungen nicht zur Auszahlung gelangen. Dies ist schlichtweg eine Sauerei.
Abteilungen an den Grenzen des Möglichen
Wichtig war für uns in diesem Budget, dass es keine linearen Kürzungen bei den Eckwertbudgets geben darf. Durch jahrelange Sparmaßnahmen sind einige Abteilungen bereits an der Grenze des Möglichen angelangt.
Um die Leistungen für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten und den Arbeitsdruck für die Bediensteten nicht auszuweiten, ist es erforderlich, auch Möglichkeiten zu schaffen, bei Bedarf mehr Personal einzustellen bzw. Nachbesetzungen von Posten vorzunehmen. Eine Automatik einzuführen, dass Posten grundsätzlich nicht nachbesetzt werden, ist auf alle Fälle abzulehnen. Dies muss auch für alle Beteiligungen der Stadt gültig sein.
Vorwürfe
Jetzt wird uns von einigen vorgeworfen, wir hätten unsere Forderungen umgesetzt bekommen und uns kaufen lassen. Im Gegensatz zu anderen Budgetverhandlern in der Vergangenheit waren uns nicht nur die Mittel, die in unserer Budgetverantwortung liegen, sondern auch die Budgets der übrigen Ressorts ein Anliegen. Hier haben wir nicht auf die politische Verantwortung der einzelnen Ressorts, sondern auf die Wichtigkeit der umzusetzenden Projekte für die Bevölkerung geschaut.
Nachdem das Investitionsbudget der Paktpartner ÖVP / SPÖ / FPÖ nicht bis 2017 gehalten hat, sondern bereits 2014 voll ausgeschöpft wurde und eigentlich keine Mittel mehr für die nächsten drei Jahre zur Verfügung gestanden wären, war es nicht einfach, Spielraum für notwendige Projekte, wie Schulausbau, ÖV-Infrastruktur, Soziales, Sport, Kultur, Gesundheit u.v.m. ohne Ausweitung der von den Paktpartnern festgelegten Schuldenobergrenze, zu schaffen.
Es ist ein Leichtes, nach dem Ausleeren des Topfes die Verantwortung anderen zuzuschieben und dann die KPÖ dafür verantwortlich zu machen, dass die Schulden steigen, weil Gelder für Grundstücke zum Bau von Gemeindewohnungen budgetiert sind und Gebühren nicht erhöht werden.
Aber diese Budgetpositionen stürzen das Grazer Budget mit Sicherheit nicht in den Abgrund.
Wer Verwantwortung übernimmt – und wer die Leute am Schmäh hält.
Es gibt in diesem Budget durchaus viele Unbekannte. Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird und wohin sich alles entwickeln wird. Laufende Veränderungen in allen Bereichen stehen auf der Tagesordnung.
Daher war es äußerst sinnvoll, gemeinsam eine Vorhabenliste über Projekte, die wichtig sind, zu entwickeln und diese nach Möglichkeit der finanziellen Mittel abzuarbeiten. Am sinnvollsten wäre hier natürlich, wenn alle in der Stadtregierung vertretenen Parteien an einem Tisch sitzen würden und nicht nur die nächsten Wahlen vor Augen hätten.
Ein Agieren wie es Stadtrat Eustachio mit seiner FPÖ macht, nämlich sich bei Budgetgesprächen zu verweigern und dann im Gemeinderat Stücke einzubringen, die keine Bedeckung haben, das ist unverantwortlich. Hätte die KPÖ in der Vergangenheit so gehandelt, wäre der kommunale Wohnbau in der Stadt Graz nicht mehr vorhanden.
Hier zeigt sich, wer Verantwortung übernimmt und wer die Leute für eigene Interessen am Schmäh hält.
Uns ist vollkommen bewusst, dass die Stadt, wenn sich nichts ändert, bald an ihre Grenzen angelangt sein wird. Diese Entwicklung war für uns durchaus vorhersehbar. Die zaghafte Warnung der Finanzdirektion, wie wir sie im heutigen Gemeinderatsstück lesen können, ist durchaus gerechtfertigt.
Eine Trendwende kann meiner Meinung nach nur durch eine neue Umverteilung und eine weitgehende Strukturreform erfolgen.
Wieviel Geld auf Grund von Spekulationen im Fall des Hyposkandals von verantwortungslosen Bankern und Politikern auf allen Ebenen verspielt, teilweise in die eigenen Taschen gewirtschaftet und durch falsches Handeln verloren wurde, ist für die Menschen kaum vorstellbar. Jetzt aber den Menschen einzureden, dass sie den Gürtel enger schnallen müssen und ihnen die Verantwortung und die Konsequenzen aufzubürden, ist unverschämt. Es muss uns daher künftig verstärkt ein Anliegen sein, gemeinsam auf eine Änderung dieser Rahmenbedingungen hinzuarbeiten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Veröffentlicht: 4. Dezember 2014