MieterInnen brauchen Sicherheit
Beispiele von Betroffenen zeigen, dass befristete Mietverträge Unsicherheit sowie zusätzliche Kosten bedeuten und die Durchsetzung von Mietrechten erschweren.
Josef S. war Arbeiter in einem großen steirischen Betrieb. Mit 52 Jahren erlitt er zwei Schlaganfälle, wurde berufsunfähig und bezieht seitdem eine monatliche Pension von 925 Euro netto. Mehr als die Hälfte davon bezahlt er für seine 41m² große Mietwohnung. Rechnet man die Wohnunterstützung von 92 Euro ein, kommt Herr S. - wie viele andere Grazerinnen und Grazer auch – gerade noch über die Runden.
Neuer Vertrag – höhere Miete
Seine bescheidenen Ersparnisse und ein kleiner Kredit flossen in eine Einbauküche, da Herr S seit seiner Erkrankung gerne und gesund kocht. Der Mietvertrag von Herrn S. wird immer nur auf drei Jahre befristet. Mit jedem neuen Vertrag geht auch eine Mieterhöhung einher, im frei finanzierten Neubau ist das erlaubt. Herr S. kann sich einen Umzug weder gesundheitlich noch finanziell leisten, seine Einbauküche wäre in einer neuen Wohnung auch nur mehr eingeschränkt brauchbar. Deshalb würden für Herrn S. viele Sorgen wegfallen, wenn der Mietvertrag unbefristet wäre.
Mängel bei der Wohnung
Gerlinde K. wohnt in einer Altbauwohnung in Jakomini. Sie hat sie liebevoll eingerichtet und fühlt sich sehr wohl in ihr, obwohl sowohl die Fensterstöcke schon sehr morsch sind und die alte Gastherme immer wieder ausfällt. Beides müsste der Vermieter reparieren bzw. erneuern lassen. Frau K. macht aber von ihrem Recht nicht Gebrauch, da der Vermieter droht, ihren Vertrag nicht zu verlängern.
>> Aktuelle Straßenumfrage: Das sagen die Grazerinnen und Grazer über befristete Mietverträge.
Josef S. und Gerlinde K. haben eines gemeinsam: Aufgrund ihrer befristeten Mietverträge sind sie dem Vermieter ausgeliefert. Herr S. muss Mieterhöhungen akzeptieren, Frau K. wagt es nicht, von ihren Rechten als Mieterin Gebrauch zu machen. So werden die Bestimmungen des Mieterschutzes ad absurdum geführt. Man greift mit der Möglichkeit, Mietverträge zu befristen, tief in die fundamentalen Lebensbereiche von Mietern ein.
Immobilien-Lobbyisten
Die Immobilienlobby wehrt sich mit Unterstützung von ÖVP, FPÖ und NEOS gegen das Verbot von befristeten Mietverträgen. „Ein Vermieter muss die Möglichkeit haben, einen ihm unliebsamen Mieter auch wieder loszuwerden“, lautet das Hauptargument der Vermieter. Sie „vergessen“ dabei sehr gerne, dass das Mietrechtsgesetz für solche Fälle Kündigungsmöglichkeiten vorsieht. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Befristungsmöglichkeiten aufrecht zu erhalten.
Stadträtin Elke Kahr: „Mit der Abschaffung der Befristungen von Mietverträgen zielen wir nicht auf Vermieter mit nur einer oder wenigen Wohnungen ab, die die Wohnung z. B. für ihre Kinder freihalten wollen oder für die ein Rechtsstreit auch finanziell riskant ist. Es geht vor allem um die großen Immobilienkonzerne und Eigentümergemeinschaften, die in Graz tausende teure Wohnungen bauen und durch die Möglichkeit der Mietvertragsbefristung den MieterInnen das Leben schwermachen.“
Das Grazer Stadtblatt hat sich unter die Leute gemischt und nachgefragt: Das sagen die Grazerinnen und Grazer über befristete Mietverträge.
Veröffentlicht: 1. Juli 2020