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Krise trifft Gemeinden in besonderer Weise

Referat von Elke Kahr (Salzburg, 7.11.09)

Elke Kahr

Krise und Gemeinden
(Impulsreferat auf der Kommunalberatung in Salzburg, 7.11. 09)

Wie sich die globale Wirtschafts- und Finanzkrise in den nächsten Monaten entwickeln wird, lässt sich nicht voraussagen. Etwas ist aber sicher: Sie trifft die Gemeinden besonders stark – und zwar zuallererst die Menschen, die in den Kommunen leben, und die Gemeinden als Organisationen des Staatsapparates auf der unteren Ebene.

Wer arbeitslos wird oder wegen langdauernder Kurzarbeit weniger Geld zur Verfügung hat, wird früher oder später Probleme damit bekommen, die Kosten für das Wohnen, die Heizung, für das tägliche Leben aufzubringen. Darüber hinaus verstärkt die Unsicherheit über Lebensperspektiven, die von immer mehr Menschen in bedrückender Weise gefühlt wird, um es allgemein auszudrücken, soziale Auffälligkeiten. In einer Stadt wie Graz ist das anhand von interethnischen Konflikten, steigender Drogen- und Alkoholsucht, der Zunahme der Spielsucht, anhand von psychischen Problemen sehr vieler Menschen und beispielsweise an Kampagnen gegen Punks oder gegen ausländische Bettler festzumachen.
Die krisenhafte Entwicklung führt zu sichtbaren Zerfallserscheinungen des gesellschaftlichen Zusammenhangs.
Immer mehr Opfer der Krise müssen sich – um die Existenz wenigstens notdürftig abzusichern – an die Gemeinde um Hilfe wenden. Deshalb steigen die Ausgaben für die Sozialhilfe sehr rasch an und die Gemeindebediensteten, die auf diesem Bereich tätig sind, werden weit stärker belastet als zu „normalen“ Zeiten.
Und auch wir von der Grazer KPÖ merken, dass hier etwas ins Rutschen gekommen ist.
Wir führen schon seit geraumer Zeit unsere Sozialberatungen durch. Für die Soforthilfe stellen wir große Teile unseres Politgehaltes zur Verfügung. Als Stadträtin habe auf dem Papier einen Bezug von etwa 5.400 Euro netto. Alles, was über 1.800 Euro hinausgeht, wird für die Bezahlung von Stromrechnungen, Mietrückständen etc. verwendet. Heuer merken wir aber, dass immer mehr Menschen kommen, denen anderswo nicht mehr geholfen wird. Es kommt sogar so weit, dass das Sozialamt – wenn es nicht weiter weiß – Leute in mein Stadtratsbüro schickt.
Aber unsere Mittel sind sehr beschränkt. Wir können den Sozialabbau auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene nicht wettmachen. Dabei merken wir, dass die Krise jetzt auch den früheren Mittelstand erreicht. Immer häufiger Betroffene sind auch Akademiker oder Hausbesitzer, die ihre Kreditraten nicht mehr bezahlen können Durch die Wirtschaftskrise seien vermehrt Menschen betroffen, die früher keine Probleme hatten.

Eigentlich steigen in der Krise die Anforderungen an die Gemeinden. Sie könnten ein Instrument sein, um gegenzusteuern und um konkrete Hilfe zu leisten.

Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Und damit komme ich zu jenem Teil des meines Referates, der die Auswirkungen der Krise auf die Gemeinden als Institutionen des Staates zum Inhalt hat.
Die Gemeinden müssten jetzt viel mehr Aufgaben erfüllen und die finanziellen Mittel dafür erhalten. In Wirklichkeit passiert aber das Gegenteil. So auch in Graz. Hier gibt es folgende Entwicklung bei den Ertragsanteilen (Anteil der Gemeinde an vom Bund eingehobenen Steuern): Für 2009 wurden im Budget 265 Millionen Euro eingeplant, in der Realität erhält sie Stadt nur 240 Millionen Euro, im Jahr 2010 werden diese Einnahmen auf 230 Millionen Euro sinken. Auch bei der Kommunalsteuer, die den Gemeinden zu hundert Prozent zugute kommt, ist wegen Personalabbau, Kurzarbeit und Betriebsschließungen mit einem deutlichen Rückgang zu rechnen.
Deshalb kommt es zu einer Situation, die vom Standpunkt einer sozialen und ökologischen Entwicklung unserer Gesellschaft und der Gemeinden eigentlich paradox ist: Weil in der Krise die Anforderungen steigen und die Einnahmen sinken, werden die Gemeinden – unter dem Zeichen des EU-Stabilitätspaktes und des innerösterreichischen Stabilitätspaktes gezwungen – ihre Ausgaben zu senken, Personal abzubauen und Leistungen einzuschränken. Dass dies alles krisenverstärkend wirkt, nimmt man anscheinend hin.
Nur einige Beispiele aus meinem Ressort, dem Wohnungswesen: Wir müssen schon seit Jahren Kürzungen im ordentlichen Haushalt hinnehmen – und auch für das kommende Jahr müssen wir Ausgabenkürzungen einplanen, obwohl das Gegenteil sinnvoll wäre.

Nur unter Aufbietung aller Kräfte und durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit konnten wir verhindern, dass die Kürzungen im außerordentlichen Haushalt ein unerträgliches Maß angenommen hätten.
Dabei wäre jetzt etwas anderes notwendig: Ein ganz gezieltes kommunales Konjunkturprogramm. Die ökonomische Bedeutung der Gemeinden ist sehr groß: Über 50 Prozent der öffentlichen Investitionen werden in den Gemeinden getätigt. Und kommunalpolitisch entschieden.

Schulsanierungen, Ausstattung von Kindertagesstätten, kulturelle Projekte (jeder in kulturelle Projekte investierte Euro rentiert sich achtfach), Wohnungsbauprogramme, Sprachförderung für MigrantInnen, Ganztagesschulen mit kostenlosem Mittagessen, energetische Altbau-Sanierungen, sind hier nur einige Beispiele für notwendige und sinnvolle Investitionen auf kommunaler Ebene. Sie wären eine Förderung des lokalen Gewerbes (Bau), würden die Steuereinnahmen erhöhen und damit die kommunale Selbstverwaltung stärken.

Nichts davon geschieht. Im Gegenteil: Man zieht die finanziellen Daumenschrauben für die Gemeinden noch enger. Dahinter steckt nicht Blindheit, sondern eine zielgerichtete Strategie. Die Krise wird dazu benutzt, um die Positionen der arbeitenden Menschen noch mehr zu schwächen und 20 Jahre nach dem Untergang des Sozialismus in Europa die letzten Reste des Sozialstaats und die noch vorhandenen Hindernisse für eine ungehemmte Kapitalverwertung zu beseitigen. Im deutschen Bürgerblatt FAZ hat ein Kommentator bereits vor einem Jahr – als anderswo noch von der Wiederkehr des Staates und von sozialistischen Maßnahmen geredet wurde – ganz nüchtern festgestellt, dass am Ende der Krise und der Bankenrettungspakete eine neue Privatisierungswelle stehen werde.

Und genau darauf steuern wir zu: Auf Bundesebene, wie der Verkauf der AUA und die aktuelle Diskussion um die ÖBB zeigen – und auch auf der Ebene der Gemeinden. In Graz hat man (bis auf die Gemeindewohungen) schon alle städtischen Grundstücke in eine (noch) stadteigene Immobilienverwaltungs- und Verwertungsgesellschaft geschoben und damit Budgetlücken geschlossen. Jetzt geht man daran, Müllabfuhr, Wirtschaftsbetriebe und Kanal ebenfalls auszugliedern und damit reif für weitere Privatisierungen zu machen.

Ich sehe es als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, jetzt gegen diesen Ausgliederungs- und Privatisierungswahn Stellung zu beziehen, Gegenpositionen zu entwickeln und gemeinsame Aktionen für das öffentliche Eigentum zu initiieren.
Weitere Vorschläge der Grazer KPÖ sind eine Entschuldung der Gemeinden, ein vom Bund finanziertes Konjunkturprogramm für Städte wie Graz mit dem Schwerpunkt auf den kommunalen Wohnbau und der Verzicht auf Prestigeprojekte.
Als Sofortmaßnahme zur Verbesserung der Lage schlägt die KPÖ vor, die Bezahlung der Zinsen für die Schulden der Gemeinde Graz befristet einzustellen. Damit würden zusätzliche Mittel für soziale und Infrastrukturmaßnahmen frei.
Zur Verbesserung der Einnahmenseite fordert die KPÖ eine Nahverkehrsabgabe der Unternehmer und eine Bodenversiegelungsabgabe.
Unsere Forderungen zur Umverteilung von oben nach unten durch die Wiedereinführung von Vermögenssteuern sind ja hinlänglich bekannt.
Alle diese Maßnahmen bleiben auf dem Papier, wenn die Bevölkerung nicht durch Initiativen von der Basis aus eine Änderung des Kurses und der Ausrichtung der gesamten Politik durchsetzt.
Es geht um eine grundlegende strategische Neuausrichtung der gesellschaftlichen Entwicklung.
Die Aufgabe der marxistischen Kräfte - und damit ganz besonders der steirischen KPÖ – ist es, eine effektive Rolle in der Entwicklung der Bewegungen, ihrer Positionen, ihrer Forderungen und in den Auseinandersetzungen zu spielen.
Ohne ein aktives Handeln der Leute, die jetzt vom Kapital ausgebeutet und von der herrschenden Politik betrogen werden, ist diese Wende aber nicht möglich.

Kommunalberatung in Salzburg

GemeindemandatarInnen und kommunalpolitische AktivistInnen aus sieben Bundesländern beteiligten sich an einer von der Salzburger KPÖ initiierten bundesweiten kommunalpolitischen Beratung am 7. November 2009 in Salzburg.

Nach Inputs des Kommunalsprechers der Bundes-KPÖ Leo Furtlehner zum Thema „Gemeinden in der Finanzfalle“ und der Grazer KPÖ-Wohnungsstadträtin Elke Kahr zum Thema „Krise und Gemeinden“ am Beispiel der Stadt Graz wurde dabei ausführlich über die aktuelle Situation der Gemeinden und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Kommunen diskutiert.

Ein zweiter Teil der Beratung war Berichten über die kommunalpolitischen Aktivitäten der KPÖ in den Bundesländern gewidmet, welcher die teilweise sehr unterschiedliche Situation und Problemlage deutlich machte.
Der Schlussteil des Treffens war der Diskussion möglicher bundesweiter Aktivitäten gewidmet. Dazu wurden Themen wie ein Konjunkturprogramm für die Gemeinden, der Skandal bei der Privatisierung der Bundeswohnungen, die Forderungen nach einem Schuldenmoratorium und einem Kautionsfonds vorgeschlagen.

Die Forderung nach einem kommunalen Gebührenstopp, verbunden mit der Forderung nach der Befreiung kommunaler Gebühren sowie der Wohnungsmieten von der Mehrwertsteuer wurde schließlich als ein bundesweites Schwerpunktthema vorgeschlagen. Dieses Thema soll bei den anstehenden Budgetdebatten bzw. mit Erinnerungen zu den Gemeindebudgets eingebracht werden, geplant ist eine Aktionswoche Gebührenstopp im Jänner 2010.

Veröffentlicht: 11. November 2009

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