KPÖ trauert um Irma Schwager
Widerstandskämpferin ist am 22. Juni 2015 gestorben
An Irma Schwagers Leben zu erinnern ist gleichbedeutend damit, an die Geschichte des antifaschistischen Widerstands unter dem Hitlerregime, an die Geschichte des Kampfes für den Frieden, gegen Krieg und Faschismus in der Nachkriegszeit, an die Geschichte des Kampfes für die Rechte der Frauen und der Frauenbewegung insgesamt und an die Geschichte des Kampfes der Kommunistischen Partei Österreichs in der Zweiten Republik für sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt auf allen Gebieten zu erinnern.
Noch vor wenigen Wochen konnten wir mit ihr ihren 95. Geburtstag feiern. Und sie sprach, wie sie es immer tat, wenn ihr etwas auf der Zunge lag, trotz ihrer Gebrechlichkeit engagiert und energisch über den Sinn des Kampfes, der heute von den fortschrittlichen Kräften und den Frauen geführt werden muss und vor allem wie und warum sie Kommunistin geworden war, geblieben ist und bis zu ihren Ende bleiben würde. Dies nehmen wir als ihr politisches Vermächtnis auf.
Irma wuchs in einer kleinbürgerlichen, jüdischen Familie im 2. Bezirk in Wien auf. Als 18jährige musste sie vor den Nazis emigrieren und blieb in Belgien, wo sie bei Freunden unterkam. Nach der Besetzung Belgiens floh sie nach Frankreich und landete im Internierungslager Gurs. Dort trat sie der Parteigruppe der KPÖ bei, von der sie die Solidarität und Freundschaft trotz schwierigster Bedingungen erfuhr, die sie immer wieder als wesentliche Eigenschaft der KommunistInnen hervorhob. Nach der geglückten Flucht wirkte sie im besetzten Teil Frankreichs im Rahmen der Resistance in der Gruppe mit, die versuchte, Soldaten der Hitlerarmee von der Sinnlosigkeit des Krieges durch Gespräche und Propagandamaterial zu überzeugen und für den Kampf gegen das Hitlerregime zu gewinnen. Diese hochriskante „Mädelarbeit“ zeitigte nach Stalingrad einige Erfolge und stärkte auch den Widerstandsgeist der Gruppe. Trotzdem wurde eine Frau der Gruppe hingerichtet und drei Frauen nach Auschwitz und Ravensbrück verschleppt.
Nach der Befreiung Frankreichs 1944 ging Irma mit ihrem Mann, dem Spanienkämpfer Zalel Schwager, und mit ihrer kleinen Tochter zurück nach Belgien, um dort die politischen Flüchtlinge und Emigranten zu sammeln und proösterreichische Propaganda zu betreiben. Nach der Befreiung Österreichs kehrte sie im Frühsommer 1945 mit einer Gruppe KommunistInnen heim und musste erfahren, dass fast ihre ganze Familie ermordet wurde. Sie begann sofort in der KPÖ zu arbeiten und widmete sich der Frauen-, Friedens- und antifaschistischen Aufklärungsarbeit.
1952 wurde sie Sekretärin des Bundes Demokratischer Frauen und 1972 dessen Vorsitzende und Mitglied des Rats der Internationalen Demokratischen Frauenföderation. In zahlreichen Artikeln, Versammlungen, öffentlichen Aktionen, Demonstrationen und Kundgebungen trat Irma für die Gleichberechtigung der Frauen, für das Recht auf Arbeit, für die Beseitigung des altertümlichen, patriarchalen Ehe- und Familienrechts und für die Abschaffung des §144 (des Verbots der Abtreibung) ein. Einer breiten Koalition von Frauenorganisationen, an der Irma bedeutenden Anteil hatte, gelang schließlich unter der Kreisky-Regierung wesentliche Fortschritte. Irma hielt in den Aktionseinheiten zum Internationalen Frauentag engen Kontakt zur feministischen Frauenbewegung, was zu einer neuen Qualität des 8. März als Kampftag der Frauenbewegung führte.
Irmas friedenspolitisches Engagement führte sie am Höhepunkt des Vietnamkrieges 1971 nach Vietnam. In den 1990er Jahren war sie Präsidentin der Gesellschaft Österreich-Vietnam und anschließend deren Ehrenpräsidentin. Vietnams Staatspräsident ehrte sie 2008 bei einem Besuch Österreichs.
Gemeinsam mit Grete Schütte-Lihotzky und anderen Frauen organisierte Irma 30 Jahre lang das antifaschistische Frauenkomitee, das in der Wiener Urania regelmäßig antifaschistische und friedenspolitisch wichtige Filme zeigte. 1993 beteiligte sie sich an der Gründung der Alfred-Klahr-Gesellschaft, deren Vorstand sie bis zuletzt angehörte.
Irma gehörte seit 1953 dem Zentralkomitee und von 1980 bis 1990 dem politischen Büro der KPÖ an. In den schwierigen Jahren nach 1989/90 half Irma tatkräftig mit, die Krise der Partei auf einer erneuerten Grundlage zu überwinden.
Irmas frauen-, friedenspolitisches und antifaschistisches Engagement kannte keinen Ruhestand. Und nach den vielen Jahren des Kalten Krieges fand dieser Kampf auch zunehmend Anerkennung in einer breiteren Öffentlichkeit. Davon zeugen zahlreiche öffentliche Auftritte und Interviews in verschiedenen Medien, zuletzt ihre Rede im Jänner dieses Jahres im Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz am Heldenplatz, die auch im ORF gesendet wurde. 2005 wurde Irma im Rahmen der „1000 Frauen“ für den Friedensnobelpreis nominiert und 2014 Erhielt sie den Preis des Österreichischen Frauenrings für Zivilcourage. Am 4. Mai widmete das Nachrichtenmagazin „Profil“ Irma Schwager eine Titelgeschichte mit der redaktionellen Widmung als „letzte Zeugin und große Heldin eines anderen Österreich“.
Obwohl Irma in den letzten Jahren ein Symbol des antifaschistischen Widerstands, des Kampfes der Frauen- und Friedenbewegung wurde, blieb eine Ehrung durch das offizielle Österreich für die unermüdliche Kommunistin aus. Aber Irma drängte sich nirgends auf, ihre Bescheidenheit, aber auch ihr Stolz auf das Erreichte und Erkämpfte ließen solche „Kleinigkeiten“ hinter sich, denn es galt und gilt, was sie immer wieder sagte: Ohne Widerstand gibt es in dieser Gesellschaft keinen Fortschritt.
Irma Schwager bleibt eine große Gestalt der Kommunistischen Bewegung in Österreich. Wir trauen um unsere Genossin und werden den Kampf in ihrem Sinne weiterführen.
Veröffentlicht: 23. Juni 2015