Jung frei, Freundin Martha!
Martha Podrepsek 1920–2017
Die Jahre, die Martha Podrepsek gelebt hat, sind auch ein Jahrhundert Zeitgeschichte einer österreichischen Arbeiterfamilie.
Martha wurde am 15. Juli 1920 in Wien geboren. 10. Bezirk. Ein Zinshaus, 24 Parteien, meist böhmische Arbeiter-Familien, die junge Mutter geschieden und arbeitslos, die Not groß.
Eine jüdische Hauptschullehrerin förderte das begabte Kind und verhalf ihr, und ihrer um ein Jahr jüngeren Schwester, da das Schulgeld fehlte, zum unentgeltlichen Unterricht in einer Klosterschule. Lernen, Singen, geregelte Mahlzeiten! – das war eine schöne Zeit.
Der Hass auf jüdische und der Rassismus gegenüber slawischen Menschen fanden bei ihr, auf Grund ihrer eigenen Lebenserfahrungen, keinerlei Anklang.
Es folgten verschiedene Arbeitsstellen. Als sie in Böhmen war, holte sie ihren siebenjährigen Bruder Rudi zu sich.
1945 zwischen die Fronten geraten, begann für die beiden die Flucht von Königsgrätz nach Judenburg, wo die Mutter inzwischen lebte. Mehrmals gerieten sie in lebensgefährliche Situationen.
Martha lernte den politisch aktiven Rudi Podrepsek kennen und lieben. Seine Weltanschauung wurde bald auch die ihre und sie wurde Mitglied der KPÖ.
„Freundin“ Martha, wie sie von allen früher wie heute liebevoll genannt wird, war 1950 die treibende Kraft für die Gründung der Kinderland-Ortsgruppe Wetzelsdorf. Diese wurde zur Priorität Nummer 1 im ehrenamtlichen Schaffen der jungen Frau. Nicht nur, dass sie es durch ihren Einsatz ermöglichte, dass im Laufe der Jahre tausende Kinder im Rahmen der Ferienaktion ihre Ferien am Land verbrachten, sie verschrieb sich auch der Weiterbildung der ihr anvertrauten Schützlinge. Trotz Familie mit vier Kindern schaffte sie es in ihrer Ortsgruppe zum Beispiel, die wöchentlich stattfindende Heimstunde durchzuführen. Hunderte Kinder beschäftigten sich wöchentlich mit inhaltstarken Themen wie Antifaschismus, Friedenspolitik und Persönlichkeitsbildung. Zielstrebig mit vollem Einsatz.
Viele von uns können sich noch an den Ehrgeiz von Freundin Martha in diversen Wettbewerben erinnern. Es war stets Marthas Ziel, vorwärts zu gelangen und auch ihre Ortgruppe immer herauszustreichen. Durch ihre starke Persönlichkeit schaffte sie es, viele junge Menschen an den Verein zu binden. Martha Podrepsek bekleidete stets Ämter im pädagogischen Bereich. Ob als Gruppenleiterin oder später als Heimleiterin bemühte sie sich permanent, neben den spielerischen und kulturellen Programmpunkten auch Inhalte an das Kind zu bringen und ihr Wissen an viele Menschen im Verein weiterzugeben. Obwohl sie immer sehr viel Kraft in ihre Tätigkeit innerhalb des Vereins legte, widmete sich Martha stets aufopfernd ihrer Familie. Sowohl ihr Mann, als auch ihre Söhn und Töchter waren aktiv im Kinderland.
Sohn Udo kam auf die Welt, dann Ulli, und etwas später Gert und Gabi. Die kleine Drei-Zimmer-Gemeindewohnung in der Mohnzeile 12 hatte nicht nur Platz für vier Kinder, für die allabendlich im Wohnzimmer auszuziehende Schlafstelle der Eltern – zwischen einigen Aquarien –, sondern auch für Heimstunden, Kinderland-Sitzungen, Bastelnachmittage. Für sämtliches Material und Werkzeug, das für einen Naturforscher und die Arbeit mit Kindern wichtig ist.
Das ganze Viertel war ein einziges „Kinderland“. Denn dort wohnten etwa auch die Familien Leber, Finker und Schmiedbauer. Podrepseks hatten immer ein offenes und gastfreundliches Haus, obwohl Geld zu keiner Zeit in Überfluss vorhanden war.
Kinderland, KPÖ und Familie waren eine Einheit, wie bei anderen Kinderland-Familien in dieser Zeit auch. Im Sommer ging‘s in die Ferienaktion, zu Pfingsten ins Pfingstlager, in der Osterwoche nach St. Radegund. Nie empfand Martha dies als Verzicht, aber immer als Bereicherung. Es gab nichts Wichtigeres als diese große Gemeinschaft mit dieser großen Begeisterung und diesen großen Zielen. Frieden, Völkerfreundschaft, Solidarität, Kinderrechte. Sie war leitende Funktionärin in der Ortsgruppe, der Landes-und der Bundesleitung. Sie hatte ihre Lebensaufgabe und ihren Lebenssinn gefunden.
Obwohl sie sich mit zunehmendem Alter ab 1995 aus der Kinderland-Tätigkeit zurückzog, war sie stets am Vereinsgeschehen interessiert. 1996 verlieh Kinderland-Steiermark Martha Podrepsek die Ehrenmitgliedschaft.
In ihrem Leben hatte Martha auch schwerste Schicksalsschläge zu ertragen. Ihr Mann Rudi, der Betriebsrat der Firma Famalus war, verunglückte 1976 mit erst 52 Jahren. Ihre Tochter Ulli verlor sie im Jahr 2005 mit 55 Jahren und ihren Sohn Udo vor 2 Jahren, da war er 67. Der enge Zusammenhalt in der Familie half damit zu leben.
2010 wurde Martha noch eine besondere Ehrung zuteil. Für ihre jahrzehntelange Arbeit mit Kindern erhielt sie von der Kinder-und Jugendanwaltschaft des Landes Steiermark die „EhrenTrauDi“, den Kinderrechte-Preis des Landes Steiermark. Im Vorjahr, anlässlich 70 Jahre Kinderland überbrachte Susi noch eine bewegende Grußbotschaft von Martha ins Feriendorf. Persönlich konnte sie nicht mehr kommen.
Mit Marthas Ableben am 25. Dezember 2017 verliert die Familie einen geliebten Menschen, euch gilt unsere tiefe Anteilnahme.
Wir verlieren eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der Kinderlandgeschichte.
„Ich hatte ein erfülltes Leben! Ich habe nicht umsonst gelebt“, sagte sie. Liebe Freundin Martha, dem können wir nur beipflichten!
Liebe Freundin Martha, danke für alles!
Jung Frei!
Kinderland Steiermark, KPÖ Steiermark, Zentralverband der Pensionisten und Pensionistinnen Österreichs
Veröffentlicht: 12. Januar 2018