In der Pflege brennt der Hut
„Es gab Zeiten, in denen der Beruf der Krankenpflege attraktiv und gesellschaftlich anerkannt war, wie ich selbst erlebt habe“, erzählt Christine Anderwald. Die pensionierte psychiatrisch-neurologische Krankenschwester ist Gründerin der Marienambulanz und wurde dafür auch als „Bürgerin der Stadt Graz“ ausgezeichnet.
Pflegenotstand ist hausgemacht
Dass heute Pflegenotstand herrscht, ist für sie hausgemacht, betont sie in einer Pressekonferenz. „Das Personal ist überlastet und unterbezahlt. Es gibt viel zu wenig Ausbildungsplätze – und die müssen meistens auch noch selbst bezahlt werden“, kritisiert Anderwald. Statt das zu korrigieren, sollen nun Menschen aus Kolumbien oder den Philippinen nach Österreich geholt werden, „damit diese unter noch schlechteren Arbeitsbedingungen Pflegearbeit leisten. Das ist nämlich ein zutiefst unmenschliches Kalkül.“
„In den Pflegeheimen ist es zehn nach zwölf“, erklärt der Diplomkrankenpfleger Wolfgang Schwab. „Alle sind am Limit. Wir wissen kaum noch, wie wir die Dienste besetzen sollen. Das System steht vor dem Kollaps.“
Vorbild Burgenland: Keine Profite mehr mit Pflegeheimen
Vor fast 20 Jahren beschloss die steirische Landesregierung unter SPÖ-Landesrat Kurt Flecker, einer privaten, gewinnorientierten Pflegeheimlandschaft gegenüber öffentlichen Betrieben den Vorzug zu geben – „im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern in Österreich und das unter einem der schlechtesten Personalschlüssel“, betont Schwab. Entgegen der neoliberalen Beteuerungen sind die Pflegeheimkosten nicht gesunken, sondern im Gegenteil massiv gestiegen. „Gewinnorientierte Träger sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung“, betont Schwab. Denn Gewinn macht man in der Pflege vor allem durch Sparen beim Personal oder bei den Patientinnen und Patienten.
Schwab schlägt vor, es wie im Burgenland zu machen: Mit einer vierjährigen Übergangsfrist werden dort alle Heime in öffentliches Eigentum überführt oder an gemeinnützige Trägervereine übertragen.
Vorbild Wien: Attraktivierung der Pflegeausbildung
„Neben einer Aufstockung der Ausbildungsplätze braucht es auch dringend eine Attraktivierung der Pflegeausbildung“, sagt Claudia Klimt-Weithaler, KPÖ-Klubobfrau im Landtag. Derzeit bekommen Menschen in Pflegeausbildung in der Steiermark nur ein kleines Taschengeld – das noch dazu geringer ist als in den meisten anderen Bundesländern. Klimt-Weithaler will das rasch ändern. Bereits im November 2020 hat sie im Landtag beantragt, an die Bundesregierung heranzutreten um sich für eine Entlohnung aller Auszubildenden in Pflegeberufen ähnlich jener der PolizeischülerInnen einzusetzen und das Taschengeld für die SchülerInnen der Krankenpflegeschulen zumindest auf das Wiener Niveau anzuheben – und auch auf Auszubildende in der Pflegefachassistenz und Pflegeassistenz auszudehnen. „ÖVP und SPÖ haben das abgelehnt“, erinnert sich die KPÖ-Klubobfrau. Nachdem sich im Bund nun auch SPÖ-Chefin Rendi-Wagner dafür ausgesprochen hat, hofft Klimt-Weithaler nun auf ein Umdenken der steirischen Sozialdemokratie und wird den Antrag erneut einbringen.
Bessere ArbeitsbedingUNGen gegen „Pflexit“!
Um dem „Pflexit“ entgegen zu wirken, will die KPÖ die Forderungen der Kollektivvertragsverhandlungen von 2019 wieder aufgreifen: Faire Gehälter, Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich und eine sechste Urlaubswoche. „Viele Beschäftigte leisten Großartiges – aber sie arbeiten am Limit. Sie brauchen dringend eine Entlastung. Gute Arbeitsbedingungen und faire Gehälter wirken außerdem besser gegen Personalmangel als jede Image- und Werbekampagne“, findet der Grazer Pflegestadtrat Robert Krotzer (KPÖ).
Veröffentlicht: 8. September 2021