Graz ist kein Unternehmen, sondern ein Gemeinwesen
Rede von KPÖ-Klubobfrau Ina Bergmann in der Grazer Budgetdebatte
KPÖ-Klubobfrau Ina Bergmann
Die Stadt Graz ist kein Unternehmen, sondern ein Gemeinwesen
Generalrede in der Budgetdebatte des Grazer Gemeinderates, 20. 5. 08
Die heutige Budgetdebatte findet in einer neuen politischen Situation statt. Wir debattieren den ersten Haushaltsvoranschlag der schwarz-grünen Rathauskoalition. Nun stellt sich die Frage: Wird die KPÖ im Gegensatz zu ihrer Haltung gegenüber den von SPÖ und ÖVP vorgelegten Budgets diesmal zustimmen, wo sie doch eine Vereinbarung mit den Koalitionspartnern im Bereich „Wohnen“ unterschrieben hat ?
Ich kann Ihnen versichern, davon ist nicht auszugehen.
Allein aus Zeitgründen ist eine Zustimmung, die wir ohne schlechtes Gewissen geben könnten, nicht möglich. Wir haben den umfangreichen Entwurf als Gemeinderatsklub erst am Freitag über das Internet erhalten, mit Ausnahme der Ansätze für das Wohnungsamt, die mit Stadträtin Elke Kahr ausverhandelt worden sind, ist uns das Zahlenwerk vorher nicht zugänglich gewesen. Wir haben auch keine Unterlagen über die einzelnen Budgetschwerpunkte in den anderen Ressorts erhalten.
Diese Vorgangsweise unterscheidet sich in keiner Weise vom schlechten Stil der bestimmenden Kräfte in der Stadtregierung während der Periode 2003 – 2008.
Der Tupfen auf dem I war dann die Pressekonferenz von Finanzstadtrat Rüsch – eine Stunde bevor er die anderen Fraktionen über die Grundzüge des Budgets informierte. Ich halte das für eine Missachtung des Gemeinderates, welche die schlechten Sitten, die auch unter dem früheren Finanzstadtrat Riedler eingerissen waren, noch überboten hat.
Es geht aber nicht nur um die Vorgangsweise.
Es geht um den Inhalt. Und hier können wir als KPÖ nur bekräftigen, was eine Generalrednerin in diesem Hause am 14. Dezember 2006 gesagt hat: „Wir sehen keine längerfristige Handlungsperspektive - noch immer nicht - und wir sehen keine strukturellen neuen Ansätze.“
Vizebürgermeisterin Rücker wird wahrscheinlich bestreiten, dass dieser Satz, den sie damals ausgesprochen hat, auch für das von ihr mitverantwortete Budget gilt. Wie heißt es doch bei Karl Marx ?
Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Es ist eben eine Tatsache, dass die Stadt Graz auch im Jahr 2008 den Kurs auf Einschnitte und Belastungen fortschreibt, ohne der Sanierung unserer dramatischen Finanzlage auch nur einen Schritt näher zu kommen. Der Gesamtschuldenstand von Graz ist deutlich über der Milliarden-Euro-Grenze. Eine soziale Stadtentwicklung ist in Wirklichkeit immer schwieriger und ungewisser geworden, die weitere Kürzung des Eckwertbudgets um 5 % bedeutet für einzelne Bereiche, wie zum Beispiel Soziales, Jugend, Gesundheit oder Wohnen zusätzliche Einsparungen bei gleichzeitig gestiegenen Anforderungen.
Besonders bedenklich sind aber die Finanztricks, mit denen man den ordentlichen Haushalt auf dem Papier ausgleicht. Wobei diese nicht neu sind.
20 Millionen Euro kommen als Sonderdividende von den Stadtwerken - allerdings sind aus Gewinnen, sondern dafür werden bei den Stadtwerken Rücklagen aufgelöst - 6 Millionen Eurokommen von den Geriatrischen Gesundheitszentren, ein Immobilienpaket um 20 Millionen Euro wird geschnürt – wobei wir nicht in Erfahrung bringen konnten, was darin enthalten ist - obwohl man bereits bei den vergangenen Paketen fast alles verkauft hat, was die Stadt Graz an Grundstücken und Immobilien besitzt. Und man räumt noch dazu die Rücklagen der Stadt Graz zu einem beträchtlichen Teil aus, dafür werden 30 Millionen Euro im Budget eingesetzt.
So sind in der Grundstücksrücklage bisher 9.316.855,43 Euro vorhanden. Auch diese Rücklage wird bis auf 55,43 Euro ausgeräumt!
Uns stellen sich jetzt folgende Fragen: Handelt es sich bei dieser Rücklage um die Erlöse aus dem Verkauf von einzelnen Gemeindewohnungen an die Mieter? Wenn ja, dann bricht man mit der Entscheidung, die heute gefällt wird, das Versprechen, aus dem Erlös dieser Wohnungsverkäufe Grundstücke für den sozialen Wohnbau anzukaufen.
Und darüber hinaus muss man fragen, wo die Stadt Graz in Zukunft die Mittel für den Ankauf von Grundstücken für das Wohnbauprogramm hernehmen will?
Dieser Voranschlag unterscheidet sich in der Tendenz kaum von den Budgets, die ÖVP und SPÖ unter Finanzstadtrat Riedler vorgelegt hat. Es werden Löcher gestopft und es wird ein Sanierungskurs der Stadt vorgegaukelt, bei dem es nur eine Konstante gibt: Die Einsparung auf Kosten wichtiger Leistungen für die Bevölkerung.
Stadtrat Rüsch will diesen Kurs anscheinend verschärfen, weil er laut Zeitungsberichten angekündigt hat, dass er seinen StadtsenatskollegInnen gegenüber ab Herbst „der Ungustl“ sein und tiefgreifende Einschnitte vornehmen will.
In diesem Zusammenhang ein klares Wort: Ohne eine soziale Wende in der Budgetpolitik, die sich gegen die Interessen des Großkapitals und der sogenannten Finanzwelt wendet, gibt es für die Stadt Graz keine längerfristige Handlungsperspektive und keine strukturellen neuen Ansätze.
Deshalb fordern wir auch immer wieder in Debatten in der Stadt Graz Maßnahmen, die nur auf Landes, Bundes- oder EU-Ebene durchsetzbar sind: Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, die Abschaffung der Landesumlage, die Befreiung der kommunalen Einlagen von der KESt und den verfassungsmäßig verbrieften Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge vor den Begehrlichkeiten der Konzerne. Die Städte müssen im gleichen Ausmaß am steuerlichen Mehraufkommen beteiligt werden wie der Bund. Deshalb treten wir für einen gerechten Finanzausgleich ein. Dazu muss man sagen, dass die ÖVP den Finanzstadtrat in Graz, den Finanzlandesrat in der Steiermark und den Finanzminister im Bund stellt. Die ÖVP stellt diese Forderung, die bisher nicht erfüllt wurde, an ihre eigenen Leute
Weiters fordern wir eine Nahverkehrsabgabe der Unternehmer/innen, eine Flächenversiegelungsabgabe und die Abschöpfung der Wertsteigerung von Grundstücken in Folge von Umwidmungen.
Eines steht für uns fest:
Unsere Stadt ist kein Unternehmen, das man bloß mit den Methoden der Privaten managen müsste, wir sind keine Graz AG, sondern ein Gemeinwesen. Deshalb müssen wir auch auf städtischer Ebene gegensteuern, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, wenn die Preise für Grundnahrungsmittel explodieren, wenn Bus und Straßenbahn schon wieder teurer werden sollen und auch die Energietarife ständig hinaufgesetzt werden, welche viele andere Teuerungen mit sich bringen.
Solange der Bürgermeister aber seine Energie vor allem für eine Politik der Symbole verwendet, das schlagendste Beispiel dafür ist die Diskussion um das Handy-Verbot – solange er sein Auftreten von den Ratschlägen der PR-Berater bestimmen lässt, so lange werden die Interessen der Leute, die nicht im Licht stehen, ins Hintertreffen geraten.
Im Unterschied zur Generalrednerin der ÖVP halte ich deshalb fest, dass es in Graz nicht nur die „kreative Klasse“ gibt. Wir dürfen auf die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht vergessen.
Die Zeit drängt für die Einführung eines Sozialpasses, dessen Prüfung bereits im Herbst 2007 einstimmig in Form eines Dringlichen Antrages vom Gemeinderat beschlossen wurde.
Deshalb meinen wir, dass ein Grazer Aktiv- oder Sozialpass keine Sache ist, die man wie einen heißen Erdapfel nicht angreifen will, sondern ein Anliegen, das umgehend verwirklicht werden sollte: Nulltarif für Menschen mit geringem Einkommen in städtischen Einrichtungen und bei der GVB, Vergünstigungen beim Eintritt in Schwimmbäder und kulturelle Einrichtungen – und das alles auf eine unbürokratische Weise. Hier könnte die Stadt Graz ein Zeichen setzen. Was in Linz oder – um in der Steiermark zu bleiben – in Kapfenberg möglich ist, müsste auch bei uns im Jahr 2008 in Graz Wirklichkeit werden.
Wenn sich der Bürgermeister entschließen könnte, seine Medienmaschine dafür in Gang zu setzen, wären wir von der KPÖ nicht beleidigt. Wir treten schon seit vielen Jahren für einen Sozialpass ein. Es geht uns dabei um die Sache. Und eines muss uns klar sein: Bei der Armutsbekämpfung drängt die Zeit.
Neuen Wohnraum schaffen
Dass es uns um die Sache geht und nicht um parteipolitisches Taktieren, das haben wir mit unserer Übereinkunft bewiesen, die wir mit ÖVP und Grünen zum Thema Wohnen getroffen haben.
Jetzt geht es darum, diese Festlegungen umzusetzen und auch im Budget abzusichern. Für den außerordentlichen Haushalt ist dies gelungen. Wir erkennen auch an, dass Stadtrat Rüsch als Liegenschaftsreferent die Mittel für einen konkreten Grundstücksankauf budgetiert hat.
Im ordentlichen Haushalt des Wohnungsamtes schaut es nicht so einfach aus. Hier mussten wir Kürzungen hinnehmen.
Es ist besonders wichtig, neuen Wohnraum zu schaffen. Deshalb haben wir 2006 auch die Initiative „Gemeindewohnungen auf Kasernengrund“ gestartet, die auch vom Grazer Gemeinderat einstimmig unterstützt wurde. In letzter Zeit ist es um dieses Vorhaben aber still geworden. Wir verlangen entschlossene Initiativen der Stadt Graz, um vor allem auf dem Areal der Hummel-Kaserne neben anderen Bauten auch Gemeindewohnungen mit einer guten Infrastruktur errichten zu können.
Ein anderes Kapitel ist die „Schleichende Privatisierung“
Die Vorgangsweise der Rathauskoalition im Zusammenhang mit den Stadtwerken hat uns alarmiert. Wir sehen – trotz aller gegenteiligen Versicherungen die Gefahr einer schleichenden Privatisierung. Deshalb lehnen wir die Übertragung der Wirtschaftsbetriebe, der Müllabfuhr und des Kanals an die Stadtwerke entschieden ab.
Wir haben im Jahr 2002 mit der Unterstützung tausender Grazerinnen und Grazer gegen den Teilverkauf des Energiebereichs der Stadtwerke gekämpft, der sich als schwerer Fehler und als existenzbedrohend für die „Rest-Stadtwerke“ herausgestellt hat. Dieser Verkauf war auch die Ursache dafür, dass die Stadt Graz einen Verkehrsdienstleistungsvertrag mit den Stadtwerken abschließen müsste, der das Budget mit 51 Euro jährlich belastet.
Die im schwarz-grünen Koalitionspakt mehr oder weniger deutlich formulierte Absicht, gegen den Verkauf von Teilbereichen der Stadtwerke zu sein, bezieht sich ausdrücklich auf die Daseinsvorsorge. Hier ist ein Verkauf nicht vorgesehen. Was ist aber mit den anderen Bereichen? Was ist mit der profitablen Tochterfirma Ankünder ? Was ist mit den Liegenschaften und Immobilien der Stadtwerke, die vermarktet werden sollen? Hier sind viele Fragen offen, auf die wir eine klare Antwort wollen.
Die KPÖ wird jedenfalls auch in Zukunft für unsere Stadtwerke eintreten. Sie gehören schließlich allen Grazerinnen und Grazern.
Weiters orten wir nach wie vor ein demokratiepolitisches Defizit.
Die jetzige Vizebürgermeisterin Rücker hat in der Budgetdebatte des Jahres 2006 von einem „demokratiepolitischen Defizit“ gesprochen, weil wichtige Entscheidungen von ÖVP und SPÖ in die Aufsichtsräte von Stadtwerken und GBG ausgelagert worden sind.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Vielleicht nur noch die Stellungnahme des damaligen Grün-Gemeinderates Candussi in der selben Sitzung: „Wir sparen uns die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen ganz einfach, indem wir wesentliche Geschäftsfelder der Stadt in Gesellschaften, GBG, GPG, Handelsmarketing, Messe, Tourismus und ungefähr 20 andere auslagern und damit dem Gemeinderat entziehen und indem wir nur Rot und Schwarz in den Aufsichtsräten der stadteigenen Gesellschaften zulassen“. Eine harsche kritik.
Wir brauchen nur den Begriff Rot durch Grün zu ersetzen und wir haben eine treffende Schilderung der jetzigen Situation.
Dieser interessante Wechsel der Perspektive verstellt uns nicht den Blick für die Tatsache, dass die ÖVP und die hinter ihr stehenden gesellschaftlichen Kräfte jetzt bestimmen, wo es in Graz lang geht. Immobilienverwerter, Projektentwickler oder die Gastronomielobby haben heute einen noch direkteren Zugang zum Rathaus.
Für die KPÖ gilt seit 1998 aber etwas anderes: Seither haben Menschen, denen es nicht so gut geht, Leute, die rasche Hilfe brauchen, Tag für Tag einen direkten Zugang zum Stadtratsbüro. Wir ändern nämlich unsere Haltung nach einer Wahl nicht, wir drehen unsere Fahne nicht nach dem Wind, uns sind unsere Grundsätze wichtiger als Posten und Privilegien.
Mit der KPÖ sind weder Sozialabbau noch die Auslagerung und der Verkauf von öffentlichem Eigentum zu machen. Darauf können sich die Grazerinnen und Grazer verlassen.
Wir stehen auch für Privilegienabbau und Einsparungen bei der Politik, auf allen Ebenen. Deshalb treten wir nach wie vor für die Reduzierung des Stadtsenates von 9 auf 7 Mitglieder ein. Allein das hätte – seit Ernest Kaltenegger erstmals im Jahr 1998 diesen Vorschlag gemacht hatte - der Stadt Millionen eingespart.
Trotz vieler populistischer Medienauftritte mehrerer Parteien mit Forderungen in diese Richtung in den vergangenen 5 Jahren will man heute nichts mehr davon wissen.
Wer kürzt und einspart, der muss mit gutem Vorbild vorangehen.
Unser Abstimmungsverhalten entspricht diesen Grundsätzen. Wir lehnen den Voranschlag – mit Ausnahme der Ansätze, für welche Stadträtin Kahr als politische Referentin zuständig ist, ab.
Zum Abschluss gilt unsere Anerkennung der angestrengten und oft mühsamen Arbeit der Beschäftigten in den einzelnen Abteilungen, vor allem in der Finanzabteilung für die Ausarbeitung und Erstellung des Budgets.
Veröffentlicht: 30. Mai 2009