Für Neutralität und Frieden statt Sanktionen und Eskalation
Für eine Friedensarbeit, die mit der Logik des Militärischen und der Aufrüstung bricht
Warum es keine Alternative zu einer aktiven Friedenspolitik im Sinne der immerwährenden Neutralität Österreichs geben kann, machte KPÖ-Menschenrechtssprecher Max Zirngast im Grazer Gemeinderat deutlich. In einem Dringlichkeitsantrag im Gemeinderat hatte NEOS-Chef Philipp Pointner verlangt, dass die Stadt Graz sich „umfänglich zu den auf EU-Ebene ausgesprochenen Sanktionen gegen die Russische Föderation“ bekennen solle.
Wir alle wissen, worum es in den wiederholten Anträgen und Wortmeldungen zu dem Thema in diesem Gremium vor allem geht. Es geht nicht um darum, das Leid der Menschen in der Ukraine zu lindern, es geht um Selbstprofilierung einerseits und andererseits darum, einen Keil in die Stadtregierungskoalition zu treiben und ihrer Arbeit zu schaden.
Lieber Herr Pointner – das wird ihnen nicht gelingen. Die Koalition arbeitet für Graz und das tut sie gut. Weltpolitische Fragestellungen werden die Koalition nicht spalten, auch wenn wir manchmal unterschiedlicher Ansicht sind.
Ich möchte sie an das bekannte Sprichwort erinnern, dass wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte. NEOS wurde mitbegründet und wird wesentlich finanziert von Hans Peter Haselsteiner, der seit 2007 in einer Partnerschaft mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska gestanden ist. Die Firma Strabag, genauso wie Raiffeisen International, hat sich in Russland und im Geschäft mit russischem Kapital eine goldene Nase verdient. Es hat lange gedauert, Wochen nach Beginn des verbrecherischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, bis sich die Strabag von Deripaska distanzierte. Dabei waren gegen Deripaska von den USA schon im Jahr 2018 Sanktionen verhängt worden. Um Prinzipien geht es bei den NEOS also offensichtlich nicht.
Freilich sind die NEOS nicht die einzige Partei mit besten Beziehungen zu Russlands Elite – unzählige führende ÖVP und FPÖ-Politiker:innen waren da auch vorne mit dabei. Um das zu sehen, genügt ein Blick in die Mitgliederliste der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft.
Nicht finden werden sie in dieser Liste Personen mit Bezug zur KPÖ. Die KPÖ hat nichts mit dem kapitalistischen Oligarchenregime um Putin zu tun.
Aber zur Sache: Die KPÖ lehnt den Angriffskrieg des russischen Regimes ab und hat das auch von Beginn an getan. Dieser Krieg ist, wie viele andere davor, in letzter Konsequenz im Streben nach Profit und der Ausweitung der geopolitischen Einflusssphäre im kapitalistischen Weltsystem begründet. Würde es um Menschenrechte gehen, dann würden Länder wie Aserbaidschan oder die Türkei wohl kaum zu Partner aufsteigen. Denn auch sie haben sich in den letzten Jahren immer wieder mit völkerrechtswidrigen Aggressionen gegen Nachbarn hervorgetan.
Während die Zivilbevölkerung und die arbeitende Bevölkerung stirbt, profitieren einige wenige in vielen Ländern und heimsen massive Profite ein. Gerade deswegen sind wir gegen diesen Krieg, gegen die russische Aggression und gegen die Eskalation auch von Seiten der NATO.
Die KPÖ sieht deswegen aber auch die Sanktionen äußerst kritisch, weil sie nichts zur Beendigung des Krieges beitragen. Eher im Gegenteil.
Zweifellos haben die Sanktionen Auswirkungen auf die russische Wirtschaft – viele westliche Firmen ziehen sich zurück, neue Handelspartner werden gesucht. Es gibt einen gewissen Wirtschaftseinbruch; der ist allerdings weitaus geringer als die von ihnen genannten Zahlen. Gazprom hat in diesem Jahr sogar mehr Gewinn gemacht als letztes Jahr. Die Menge des gelieferten Erdgases und Erdöls hat zwar abgenommen, gleichzeitig sind die Preise aber massiv explodiert – daher die höheren Gewinne. Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern wie Indien, dem Iran, der Türkei und anderen wurden ausgebaut.
Über die Auswirkungen könnten wir stundenlang weiter diskutieren – entscheidend ist aber: wiewohl die Sanktionen natürlich gewisse Auswirkungen haben, sind sie in einer Frage höchstwahrscheinlich wirkungslos: sie tragen nicht zum Sturz des Regimes bei.
Geschätzte Kolleg:innen, Sie werden mir zugestehen, dass ich nicht die geringsten Sympathien für autoritäre Regime hege und vermutlich doch mehr Erfahrungen mit politischer Repression habe, als die meisten hier.
Ich kann ihnen aus persönlicher Erfahrung sagen, dass das Erdoğan-Regime in der Türkei jede Konfliktsituation, jede Eskalation mit dem Westen zur innenpolitischen Mobilisierung genutzt hat. Eine ähnliche Tendenz zeigte und zeigt sich auch bei Regime, wie dem von Saddam Hussein oder dem Mollah-Regime im Iran, die mit Sanktionen belegt worden sind.
Gesellschaftliche Dynamiken zur Demokratisierung kommen immer aus der jeweiligen Gesellschaft. So wie in diesen Tagen im Iran, wo vor allem Frauen nach der brutalen Ermordung von Mahsa bzw. mit ihrem kurdischen Namen Jina Amini mutig gegen das Regime auf die Straße gehen und heftiger Gewalt ausgesetzt sind, aber auch in Russland, wo sich immer wieder viele Tausende gegen den Krieg des Putin-Regimes stellen und ebenfalls massiver Repression ausgesetzt sind. Ihnen gilt unsere Solidarität. Genauso wie sie der ukrainischen Zivilbevölkerung gilt, die am meisten unter diesem Krieg leidet.
Was es braucht, ist neben der Unterstützung derjenigen, die vor diesem Krieg geflüchtet sind oder vertrieben wurden, was die Stadt Graz ja von Anfang an vorbildlich macht, sind umfassende Bemühungen für den Frieden.
Deswegen setzen wir uns als KPÖ weiterhin für die österreichische Neutralität und für aktive Friedensarbeit ein, die mit der Logik des Militärischen und der Aufrüstung bricht. Ein reines Schwarz-Weiß-Denken wird uns hier nicht weiterbringen. Diese Friedensarbeit werden wir in Graz weiter vorantreiben.
Veröffentlicht: 23. September 2022