Ein Flächenwidmungsplan für die Immobilienlobby?
Debattenbeitrag von Gemeinderat Herbert Wippel
„Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte“, sagte einst Bertolt Brecht, und hat dabei noch nicht einmal die Feinstaubwerte von Graz in seine Überlegungen miteinbezogen.
Unbewohnbar ist Graz noch nicht geworden, aber die Lebensqualität – vor allem was die Auswirkungen auf die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ausmacht, hat in den letzten Jahren leider keine Verbesserung erfahren.
Aber gerade dafür sind im Budget Vorkehrungen zu treffen. Wie können wir den innerstädtischen Grünraum absichern und eventuell sogar ausbauen und verbessern? Wie sollen wir die Wälder in Graz als Naherholungsgebiet für alle Grazerinnen und Grazer sichern? Wie soll der Grüngürtel um Graz erhalten bleiben? Wie verhindern wir weitere Einkaufszentren, wo jetzt noch Äcker sind? Um diese Fragen im Sinne und zum Wohle der Grazerinnen und Grazer beantworten zu können, benötigt es budgetäre Weichenstellungen.
Was die Parkanlagen in der Stadt betrifft, wie z.B. den Oeverseepark, der nur gepachtet ist, oder die vielen Kleingartenanlagen, die immer wieder im Gerede sind, ob die Pachtverträge verlängert werden: hier gibt es weiterhin große Unsicherheiten. Es gilt, diese Parkanlagen und Kleingärten auf Dauer abzusichern.
In diesem Hause schon mehrmals angesprochen und immer wieder versprochen: Der Ankauf von Wäldern! Wie sieht es tatsächlich aus? Was ist seit in den Jahren seit das versprochen wurde tatsächlich geschehen und was sagt das jetzige Budget darüber aus? Ich konnte nichts darüber herauslesen.
Ein Atlas für Spekulanten
Wie wollen wir den Grüngürtel, den alle so vollmundig zu schützen vorgeben, tatsächlich vor weiterer Verbauung bewahren? Erst in der letzten Gemeinderatssitzung wurde ein weiteres Bauvorhaben vom Gemeinderat – gegen Stimmen der KPÖ – abgesegnet. Hier müssten, um dem Namen Grüngürtel tatsächlich gerecht zu werden – Rückwidmungen von Bauland in Freiland stattfinden, was natürlich auch finanzielle Auswirkungen hätte. Aber wenn man das nicht will – und es sieht nicht so aus, als ob man das wollte - dann sollte die Schwarz/Grüne Koalition auch so ehrlich sein, sich vom Namen „Grüngürtel“ verabschieden und in „Teures Bauland in relativ grüner Umgebung“ umbenennen. Denn tatsächlich besteht der Grüngürtel zu großen Teilen aus Bauland und ist eigentlich nur ein Qualitätsmerkmal für höhere Grundstückspreise, aber kein Garant für tatsächliche Natur- bzw. Freiflächen. Der Flächenwidmungsplan, der hier eigentlich regulierend eingreifen sollte, ist ein Atlas für Spekulantentum geworden! Einzelne Grundstücksbesitzer mit nötiger Lobby im Hintergrund haben so in relativ kurzer Zeit durch Umwidmungen von Freiland in Bauland Millionen gemacht. Geld, das die Stadt quasi herschenkt, ohne eine Gegenleistung dafür zu bekommen.
Aber auch in anderen Bereichen wurden und werden weiterhin wertvolle Ressourcen der Stadt vergeudet: Das vor allem im Süden der Stadt noch großflächig vorhandene Bauland wurde in unverantwortlicher Weise für Einkaufszentren und, wie sie die Stadtplanung gerne nennt „Flächmänner“, also eingeschossige Hallenbauten verbraucht. Wohl wissend, dass es sich dabei um einen Verdrängungswettbewerb handelt, lässt man aber weiterhin Einkaufszentren entstehen. Ein entsprechendes Regulativ, wie es zum Beispiel eine Flächenversiegelungsabgabe wäre, ist dringend einzuführen. Auch wenn im jetzigen Koalitionsübereinkommen steht: „Keine weiteren Einkaufszentren“, so war das das kurzlebigste Regierungsversprechen von allen, denn schon in der ersten Sitzung des zuständigen Ausschusses wurden drei weitere Einkaufszentren vorgelegt.
Problemfall Messegründe
Leider hat auch eine verfehlte Budgetpolitik bei der Messe in den letzten Jahren eine unkontrollierte und unkoordinierte Verbauung eines der wertvollsten Flächen in Graz zur Folge. Aus Budgetnot, weil dringend zum 100-Jahr-Jubiläum der Grazer Messe noch eine sündteure Halle benötigt wurde, ist wertvolles Bauland verkauft worden, ohne zuvor eine gemeinsame Entwicklung sicher zu stellen. Ich sage nicht, dass es nicht Pläne genug dazu gegeben hätte. Aber diese wurde alle wieder verworfen, weil sie mit den zu erzielenden Verkaufspreisen nicht in Einklang gebracht werden konnten. Mit anderen Worten: Um dem teuersten Zuschussbetrieb der Stadt Graz auch noch ein schönes Geburtstagsgeschenk zu machen, wurde eine vernünftige Entwicklung eines der wertvollsten innerstädtischen Gebiete aufgegeben. Eine Kehrtwendung ist auch hier nicht in Sicht, wenn man die weiteren Pläne für die Grazer Messe anschaut.
Die Zersiedelung auch in städtischen Randgebieten aber natürlich im vermehrten Ausmaß darüber hinaus ist eine Folge solcher Sünden im innerstädtischen Bereich. Welche finanziellen Auswirkungen das hat, ist den meisten hier bekannt: Wenn die Familien über die Stadtgrenzen hinaus abwandern, ist es ganz klar, dass der Stadt auf der einen Seite Steuereinnahmen entgehen, aber die Infrastruktur für diese Menschen weiterhin die Kassen der Stadt belasten. Aber auch im Stadtrandgebiet von Graz wird durch eine aus meiner Sicht falsche Siedlungs- und Stadtentwicklungspolitik nachhaltig das Budget belastet. Die Kosten für den Ausbau des Kanalnetzes, der Fernwärme und vor allem für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs sind in diesen sporadisch durch Ein- und Zweifamilienhäuser zersiedelten Gebietes um ein Vielfaches höher. Gerade was den Öffentlichen Verkehr aber angeht, hat der Gemeinderat in der letzten Periode einen Beschluss gefasst, der die Finanzierung auch langfristig absichern könnte: Unsere langjährige Forderung nach einer Nahverkehrsabgabe der Unternehmer ähnlich der Wiener U-Bahnsteuer wurde auch von Seiten der Grünen immer stark unterstützt und zuletzt im Wahlkampf auch öffentlich propagiert. Sie ist ein Gebot der Stunde, wenn der Ausbau des Öffentlichen Verkehrsnetzes nach der von Stadtrat Rüsch im Herbst angekündigten einschneidenden Maßnahmen nicht plötzlich zum Stillstand kommen soll.
Der Finanzierungsvertrag mit den GVB kommt heuer erstmals zum Tragen und belastet das Budget der Stadt zusätzlich. Früher konnten die Stadtwerke mittels Querfinanzierung aus den Erlösen des Energiebereichs den Öffentlichen Verkehr in Graz sichern. Auch das ist eine Folge einer verantwortungslosen Budgetpolitik, die sich allerdings seit 2002, als der Energiebereich der Stadtwerke verkauft wurde und teilweise schon früher wie ein Roter Faden bis jetzt durchzieht. Auch hier ist keine Änderung zu erkennen.
Politische Verantwortung zu tragen heißt in diesem Fall auch deutlich, diese Fehler der Vergangenheit und der Gegenwart aufzuzeigen, damit sie nicht wiederholt werden. Die KPÖ wird weiterhin für eine Budgetpolitik eintreten, die eine ökologisch – soziale Stadt- und Verkehrsentwicklung ermöglicht und deshalb in allen Fragen wie immer sachlich entscheiden.
Veröffentlicht: 30. Mai 2009