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„An der Grenze des Machbaren“

Budgetrede von Gesundheits- und Pflegestadtrat Robert Krotzer

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Über das Contact Tracing an den Grenzen des Machbaren, fehlende Förderungen von Gesundheitseinrichtungen sowie Herausforderungen und Errungenschaften in der Pflege spricht KPÖ-Gesundheitsstadtrat in seiner Budgetrede im Gemeinderat.

Geschätze Lesezeit: 6 Minuten

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werte Mitglieder der Stadtregierung,
geschätzte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
liebe Grazerinnen und Grazer!
 

Gesundheitsamt: Corona-Pandemie und Contact-Tracing

Die Corona-Pandemie ist eine Herausforderung für unsere gesamte Gesellschaft sowie für die Stadt Graz – und in besonderer Weise natürlich für das städtische Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt und die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Form des Contact-Tracings der lokale Dreh- und Angelpunkt in der Bewältigung der Epidemie. Dabei geht es um die Nachverfolgung der Infektionsketten und die damit verbundenen Quarantäne-Maßnahmen für Infizierte und Kontaktpersonen.

Die Mitarbeiter des Gesundheitsamts gehen seit März an die Grenze des Machbaren: Insbesondere mit dem enormen Anstieg der Neuinfektionszahlen im Oktober waren und sind es tausende Telefonate, die wöchentlich im Rahmen des Contact-Tracings geführt werden müssen. Alleine am gestrigen Mittwoch, 4. November, hatten wir 189 neue Fälle nur in Graz – was bei einem angenommenen Schnitt von rund 10 Kontaktpersonen pro infizierter Person weit über 1.000 Telefonate an einem einzigen Tag im Rahmen des Contact-Tracings nötig macht!

„Jeder in Contact-Tracing investierte Euro erspart ein Vielfaches an Kosten durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Einschränkungen“ — Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer, KPÖ

Waren es im letzten Jahr 10 Quarantäne-Bescheide, mussten alleine bis September weit über 20.000 Bescheide ausgestellt werden. Dafür wurden die personellen Kapazitäten, nachdem die Corona-Ampel in Graz gelb wurde, in der Stadt Graz unter Mithilfe aller Stellen massiv aufgestockt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Verantwortlichen und allen helfenden Händen bedanken! Bedanken möchte ich mich ebenso dafür, dass der städtische Budget-Voranschlag 2020/2021 diesem enormen zusätzlichen Aufwand Rechnung trägt und die Kostensteigerung bei Personal und Sachaufwendungen berücksichtigt wurden.

Dennoch müssen die Versäumnisse des Krisen-Managements in Österreich offen angesprochen werden: Der Deutsche Bundestag hatte bereits Mitte April (!) beschlossen, 5er-Teams pro 20.000 EinwohnerInnen für das Contact-Tracing aufzustellen und die lokalen Gesundheitsbehörden mit 50 Millionen Euro zusätzlich auszustatten. Als seitens der österreichischen Bundesregierung Ende Juni noch immer keine Unterstützung für die lokalen Gesundheitsbehörden gekommen ist, habe ich mich – bisher leider vergeblich – mit einem Offenen Brief an Bundeskanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober gewandt. Dennoch ist bis heute kein einziger Euro vom Bund an die lokalen Behörden geflossen, obwohl jeder in Contact-Tracing investierte Euro ein Vielfaches an Kosten durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Einschränkungen ersparen würde.
 

Gesundheitssubventionen

Zur Erinnerung: Nicht einmal einen Euro pro GrazerIn gibt die Stadt zur Unterstützung von Einrichtungen und Vereinen aus, die jeden Tag einen unverzichtbaren Beitrag für die körperliche wie seelische Gesundheit der Grazer Bevölkerung leisten.

Seit Beginn meiner Amtszeit 2017 und insbesondere seit der Ankündigung eines Gesundheitsjahrs durch Bürgermeister Nagl im September 2018, drängen wir darauf, das städtische Subventionsbudget für Gesundheit endlich zu erhöhen. Denn gerade der erneute Lockdown stellt die Gesellschaft in Graz und überall vor massive gesundheitliche und psychosoziale Herausforderungen, die in vielen Bereichen – wie der Lockdown im Frühjahr gezeigt hat – von diesen Initiativen aufgefangen worden.

So begrüßenswert eine Erhöhung der Subventionen im Sport- und Kulturbereich ist, so wenig verständlich ist es gerade in diesen Tagen, dass eine solche Subventionserhöhung für die Grazer Gesundheitseinrichtungen in dem von der schwarz-blauen Koalition vorgelegten Budget einmal mehr nicht berücksichtigt wurde.

Nichtsdestotrotz werden wir auch im kommenden Jahr – mit bescheidenen Mitteln, aber großem Einsatz – weitere Akzente für die Gesundheitsversorgung der Grazer Bevölkerung setzen, wie uns das heuer etwa durch das Projekt „Grazer Telefon-Kette gegen Covid-19“ zur Unterstützung von Risikogruppen, den vielfältigen Aktivitäten zum „Tag der Seelischen Gesundheit“ oder die Besuchsboxen in Pflegeheimen gelungen ist, mit denen der Kontakt zwischen pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen ermöglicht wurde.
 

Ausgaben für Pflege

Eine weitere Frage hat das diesjährige Budgetgespräch bestimmt: Für den Bereich der Heimzuzahlungen musste für das Jahr 2020 ein Nachtragskredit aufgenommen werden, um die steigenden Kosten für die Unterbringung in Pflegeheimen abzudecken. Dabei handelt es sich um gesetzliche Pflichtleistungen, die der Stadt Graz vom Bund vorgeschrieben werden und von dieser entsprechend des 40:60-Verteilungsschlüssels gemeinsam mit dem Land Steiermark zu leisten sind.

Die Ausgabensteigerungen der vergangenen Jahre resultieren neben der demographischen Entwicklung in der seit Jänner 2018 gültigen Abschaffung des Pflegeregresses durch den österreichischen Nationalrat. Dieser schlägt sich auf die kommunalen Budgets sowohl durch einen Einnahmenentfall wie Mehrkosten nieder. Kritisch anzumerken ist dabei, dass von einem vollen Ersatz dieser Kosten durch den Bund keineswegs die Rede sein kann, obwohl dies von der damaligen Bundesregierung versprochen wurde.

Der Nachtragskredit wurde auch dadurch nötig, da ich im vergangenen Jahr von Stadtrat Riegler gar nicht zu einem Budgetgespräch eingeladen wurde und die Berechnungen folglich ohne Rücksprache mit dem Sozialamt zu niedrig angesetzt wurden. Dieses Problem konnte nun – jedenfalls in Teilen – korrigiert werden. Bestehen bleibt die Problematik, dass die Stadt Graz sowohl beim Kostenersatz für den Regressentfall wie auch in den ihr zustehenden Anteilen am Pflegefonds von den übergeordneten Instanzen nicht ausreichend unterstützt wird. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn Finanzstadtrat Riegler, dessen Partei ja den Bundeskanzler und den Finanzminister stellt, und ich in dieser Sache gemeinsam aktiv werden könnten, um diese Ungleichbehandlung der Stadt Graz zu beenden. Eine einnahmenseitige Unterstützung durch Bund und Land sind schon deshalb wichtig, weil die städtischen Möglichkeiten, bei den steigenden Heimkosten gegenzusteuern, beschränkt sind, da wir uns hier im Bereich gesetzlicher Pflichtleistungen befinden.

„Es entspricht meiner politischen und menschlichen Überzeugung, dass die Qualität der Pflege eines Menschen nicht vom Einkommen oder Vermögen abhängig sein darf.“ — Pflegestadtrat Robert Krotzer, KPÖ

Dennoch sind wir bestmöglich darum bemüht, dem Prinzip „Mobil vor stationär“ Rechnung zu tragen und Pflege zuhause leistbar zu machen. Einen wesentlichen Beitrag zur Attraktivierung der Pflege zuhause haben wir mit dem Grazer Modell der Finanzierung der Hauskrankenpflege geschaffen. Das ermöglicht es vielen Menschen, pflegerische Leistungen zuhause in Anspruch zu nehmen, wobei ihnen jedenfalls die Mindestpension für Miete und Lebensbedarf bleibt. Die Stadt Graz übernimmt hier jene Kosten der Mobilen Pflege, um zu verhindern, dass pflegebedürftigen Menschen armutsbedingt in einem Heim untergebracht werden. Es entspricht meiner politischen und menschlichen Überzeugung, dass die Qualität der Pflege eines Menschen nicht vom Einkommen oder Vermögen abhängig sein darf.

Der Wunsch der Menschen, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, geht dabei Hand in Hand mit einer positiven Auswirkung auf das Budget, da alle mobilen Formen der Betreuung und Pflege – von der Hauskrankenpflege bis zum Demenztageszentrum – günstiger sind als die Zuzahlungen zu den Heimkosten. Wir arbeiten dabei weiter an einer Ausweitung beziehungsweise Stärkung der Angebote nach dem Prinzip „Mobil vor stationär“, wie etwa durch das Projekt „Demenzfreundliche Stadt“, einer vom Sozialamt finanzierten kostenlosen Pflegegeldberatung für pflegebedürftige Menschen oder in Form eines geplanten Reinigungsdienstes im Rahmen der Hauskrankenpflege.


Ein wesentlicher Baustein ist und bleibt – gerade in bewegten Zeiten – die Pflegedrehscheibe in der Albert-Schweitzer-Gasse 38. Sie bietet ein kostenloses und umfassendes Angebot auch an Case-Management, um so die optimale und individuell passende Pflege zu ermöglichen und auch den Angehörigen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Pflegedrehscheibe nehmen sich für jeden Fall die Zeit, die er braucht. Der Andrang und das Arbeitspensum der Kolleginnen sind weiter enorm gestiegen und daher bedanke ich mich an dieser Stelle für die personelle Unterstützung und Stärkung des Teams.


Danke!

Abschließend möchte ich mich bei den Amtsleiterinnen Dr. Eva Winter und Dr. Andrea Fink, bei Mag. Norma Rieder und Mag. Andreas Harb, bei Dr. Daniela Goritschan und Dr. Ulf Zeder, bei Mag. Margit Koch-Uitz und Ingrid Penz sowie bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Abteilungen bedanken.
Sie alle sind es, ohne deren Einsatz nie gelingen könnte, was wir Politiker und Politikerinnen uns so ausdenken.

 

 

Veröffentlicht: 5. November 2020

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