„Wir werden diesen beiden Budgets nicht zustimmen!“
Generalrede von KPÖ-Klubobmann Manfred Eber im Budget-Gemeinderat
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Mitglieder der Stadtregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren!
Erlaubt mir zunächst eine kurze Vorbemerkung: Der Terroranschlag in Wien vor drei Tagen hat auch uns in Graz berührt und zutiefst betroffen gemacht. Die schnelle Reaktion der Polizei und der Rettungskräfte, aber auch das beherzte Eingreifen und das solidarische Miteinander haben wohl noch Schlimmeres verhindert.
Nach einem derartigen Anschlag ist man immer klüger. Aber: Wie so oft haben nicht unbedingt jene recht, die jetzt am lautesten schreien, im Gegenteil: Gruppen des islamistischen Terrorismus und rassistische, menschenverachtende Bewegungen in den (wirtschaftlich) hochentwickelten Ländern des Westens eint mehr, als man auf den ersten Blick glauben möchte: Sie alle geben scheinbar einfache Antworten auf krisenhafte Erscheinungen, sie wenden sich in sozialen Fragen autoritär gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen und sie verschleiern die tatsächlichen Verantwortlichkeiten für Arbeitslosigkeit, Elend und Krieg.
Außerordentliche Situationen erfordern außerordentliche Budgets!
Angesichts der Corona-Pandemie haben wir es tatsächlich mit einer außerordentlichen Situation zu tun. Und das Jahr 2020 war ja tatsächlich ein außerordentliches Jahr und dies machte auch den vorliegenden Nachtragsvoranschlag für 2020 notwendig. Mit diesem und dem Budget für 2021 haben wir uns heute ja eigentlich mit zwei Budgets zu befassen.
„Koste es, was es wolle“, dieser Satz von Bundeskanzler Kurz am 18. März 2020 zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit und Entfall von Einkommen von Unternehmen ist uns allen noch gut in Erinnerung. Diese Aussage wurde auch von mir zwiespältig aufgefasst. Zum einen positiv, weil die Verhinderung von Arbeitslosigkeit eine der wichtigsten Aufgaben ist. Zum anderen aber stellt sich die Frage: Wer wird letztlich diese Kosten übernehmen - die arbeitenden Menschen in unserem Land oder jene, die sich auf Kosten der Arbeitenden bereichern, die Multimillionäre und Milliardäre? Tatsächlich hat sich auch in den Monaten der Corona-Krise die Schere zwischen jenen, die nicht genug für das tagtägliche Leben haben und jenen, die im Überfluss leben, weiter geöffnet. Der französische Makroökonom Ludovic Subran, der auch führend bei der Allianz Versicherungsgruppe tätig ist, und seine Kollegin Patricia Pelayo Romero ziehen den Schluss: Bereits vor Corona, im Jahr 2019, gab es die größten Vermögenszuwächse in den reichsten Regionen der Welt. Und auch dort, in diesen reichen Regionen, sind die Einkommen höchst unterschiedlich verteilt. Das reichste Prozent weltweit, Haushalte mit einem Nettovermögen von über 1,2 Millionen Euro, verfügt über 44 Prozent des Gesamtvermögens. Man kann nur erahnen, welch unermesslicher Reichtum sich in den Händen weniger konzentriert. Die erwähnten Ökonomen gehen davon aus, dass die Pandemie diese Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen noch zusätzlich verschärft.Nur ein Beispiel: Dieter Schwarz, Eigentümer der Handelskette Lidl, konnte während der Corona-Pandemie einen Vermögenszuwachs von € 300 Millionen verbuchen.
83 Millionäre aus sieben Ländern fordern höhere Steuern für Reiche, um die Kosten der Corona-Krise zu bewältigen. Und diese höheren Steuern sollen dauerhaft sein. Auch in Österreich wird diese Diskussion zu führen sein, denn auch bei uns ist das Vermögen höchst ungleich verteilt. 1,5 Millionen Menschen, die an oder unter der Armutsgrenze - schon vor Corona - gelebt haben, stehen 258 erwachsene Personen mit einem Vermögen von über 100 Millionen Dollar gegenüber. Die Forderung nach einer Vermögenssteuer für die Reichsten in unserer Gesellschaft ist also weder utopisch noch unfair. Sie ist ein Gebot der Stunde.
Wie ist die Situation in Graz?
Ich möchte hier sowohl auf die Lage der Menschen in unserer Stadt auf der einen als auch auf die finanzielle Lage der Stadt selber eingehen.
Aus der Coronakrise ist sehr schnell auch eine wirtschaftliche Krise geworden. Mit dem stärksten Wirtschaftseinbruch seit 1945 haben wir auch die höchste Arbeitslosenrate zu verzeichnen, dazu eine Rekordzahl an Menschen in Kurzarbeit. Aber auch viele Selbständige, von Kulturschaffenden bis zu VeranstalterInnen, vom Beherbergungsbetrieb über Reisebüros bis zu Dienstleistern aller Art haben mit massiven Einkommensverlusten zu kämpfen. Viele Maßnahmen, die von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurden, verschieben Probleme nur nach hinten. Wenn jemand die Miete nicht mehr bezahlen kann, weil es sich einfach nicht mehr ausgeht, so konnten zwar für die Monate April, Mai und Juni die Monatsmieten gestundet werden. Vielen wird aber nicht bewusst sein, dass diese Mieten bis Ende Dezember nachgezahlt werden müssen, obwohl die Einnahmenausfälle nicht wieder wettgemacht werden können und die Einschränkungen aufgrund der Pandemie längst nicht überwunden sind. Ab 1. Jänner 2021 kann der Vermieter zwar keine Räumungsklage, sehr wohl aber eine Klage auf Zahlung einbringen.
Daran ändert auch nur sehr wenig, dass die Stadt sehr rasch mit einem Soforthilfe-Wirtschaftspaket reagiert hat. Gebühren und Entgelte für Bauernmärkte, Gastgärten, Veranstaltungen und Verkaufs- und Imbissstände wurden ausgesetzt, Unterstützungszahlungen für UnternehmerInnen für Stromkosten und Miete eingerichtet und einiges mehr. Damit ich nicht missverstanden werde: dieses Paket war richtig und wichtig, aber eben nicht genug!
Wir brauchen ein Hilfspaket für jene Menschen, denen es nicht so gut geht. Dieses Paket könnte z. B. folgendes beinhalten:
- ein Verbot der Abschaltung von Strom, Wasser und Wärme, damit Menschen in der bevorstehenden kalten Jahreszeit nicht frieren müssen.
- die automatische Verlängerung der SozialCard, um möglichst unbürokratisch Hilfestellungen geben zu können
- die automatische Weitergewährung der Wohnunterstützung sowie
- die Verlängerung eines Räumungsaufschubs wegen Corona über den 31. 12. 2020 hinaus
- die Schaffung von Notunterkünften samt Aufenthaltsmöglichkeiten für obdachlose Menschen, damit diese auch tagsüber an warmen Orten sein können
- einen umfassenden Gebührenstopp bei Wasser, Müll, Kanal, Strom, Fernwärme.
- und schließlich brauchen wir einen Fonds, um Menschen finanziell zu unterstützen, die - coronabedingt - mit ihrer Miete und anderen Zahlungen in Zusammenhang mit dem täglichen Leben in Rückstand geraten sind.
Diese Unterstützungsmaßnahmen können von der Stadt Graz abgewickelt werden, aber selbstverständlich können diese Aufgaben nicht ohne Hilfe vom Bund übernommen werden. Wir werden sehen, was die Worte des Bundeskanzlers („koste es, was es wolle“) in der Realität bedeuten.
Das KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung) prognostiziert Einnahmenentfälle für die Städte und Gemeinden in Österreich in Gesamthöhe von bis zu knapp zwei Milliarden Euro. Besonders betroffen sind dabei die größeren Städte, die auch überörtliche, regionale Funktionen wahrnehmen. Selbstverständlich können diese Einnahmenverluste nicht einfach kurzfristig durch Ausgabenkürzungen kompensiert werden. Das wäre auch nicht sinnvoll und nicht wünschenswert.
Die 50 % - Förderungen des Bundes für Investitionen sind grundsätzlich zwar positiv zu sehen. Der Bund stellt hier eine Milliarde zur Verfügung. Allerdings muss auf der Gegenseite auch gesehen werden, dass die österreichischen Kommunen mit dem Konjunkturstärkungspaket, das im Juli 2020 im Nationalrat beschlossen wurde, rund 1,14 Milliarden Euro verlieren. Anders ausgedrückt: In Summe gibt es für die Gemeinden keine finanzielle Abgeltung für die Corona-Krise.
Positiv in diesem Zusammenhang ist nun zu sehen, dass die Stadt Graz die Investitionstätigkeit nicht zurücknimmt, sondern, im Gegenteil, antizyklisch investiert. Allerdings: Die Investitionen können immer weniger aus den Überschüssen getätigt werden, sondern sind über Kredite zu finanzieren. Damit steigt der Schuldenstand der Stadt Graz in der Mittelfristplanung auf 2,32 Milliarden Euro im Jahr 2025. Damit hätte sich dann der Schuldenstand innerhalb von nur acht Jahren verdoppelt. Es ist der aktuellen Zinspolitik geschuldet, dass die Aufnahme von Krediten zu außerordentlich günstigen Konditionen erfolgen kann.
Die Rolle der KPÖ in Graz
Wenn es dabei darum geht, Investitionen in Bereichen zu tätigen, von denen die Bevölkerung nachhaltig profitiert, haben wir auch zugestimmt und werden dies auch in Zukunft tun. Dies betrifft etwa den Ausbau der Schulstandorte, Investitionen in den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs - Stichwort Straßenbahnausbau - oder auch in den kommunalen Wohnbau. Hier wird die KPÖ immer eine verlässliche Partnerin sein.
Eine ebenso verlässliche Partnerin ist die KPÖ aber auch für die Bevölkerung, wenn es darum geht, das Verschleudern von öffentlichen Geldern zu verhindern. Unsere Aktivitäten gegen eine Bewerbung für die olympischen Spiele und gegen die Errichtung einer Plabutsch-Seilbahn haben wesentlich dazu beigetragen, dass diese beiden Großprojekte nicht zustande gekommen sind. Hier haben wir Verantwortung im Interesse der Grazerinnen und Grazer, aber auch der Stadt Graz, übernommen.
Damit sind aber auch zwei Projekte vom Tisch, die riesige Löcher in das Budget der Stadt Graz gerissen hätten. Es wären aber auch keine nachhaltigen Investitionen gewesen, nachhaltig wären nur die Kosten für die Stadt Graz.
Wir müssen verantwortungsbewusst mit den städtischen Finanzen umgehen. Und dabei dürfen wir das Vertrauen der Grazerinnen und Grazer nie missbrauchen. Die Parteien und ihre VertreterInnen, die gewählt wurden, sollten in jeder Hinsicht Vorbilder sein. Das gilt für den Umgang miteinander ebenso wie für den Umgang mit öffentlichen Geldern. Daher geben wir als KPÖ die überhöhten Parteien- und Klubförderungen auf vielfältige Art und Weise den Grazerinnen und Grazern zurück, sei es durch Unterstützungen in Notlagen, sei es durch unsere Aktion „Geld für Bankerl statt für Banken“ oder auch durch die Aktion "Blumen für alle", die wir seit zwei Jahren durchführen.
Sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, wir werden diesen beiden Budgets nicht zustimmen.
Zustimmung zum Budget bedeutet auch Zustimmung zur Politik, die dahintersteht. Auch wenn vieles im Budget vorgegeben ist, etwa die Pflichtausgaben im Sozial- und Pflegebereich oder auch Investitionen im Schulbereich, so unterscheidet sich dennoch die Handschrift der Mehrheitsfraktionen von der unseren.
Zum Beispiel im Bereich der Gemeindewohnungen:
Der Zugang zu Gemeindewohnungen ist für viele Menschen unter dem Vorwand, GrazerInnen bevorzugen zu wollen, erschwert worden. Fünf Jahre Hauptwohnsitz in Graz statt bisher zwei Jahre, kein Anspruch für Konventionsflüchtlinge und andere Maßnahmen führten zu einem Mangel an Anspruchsberechtigten. Gemeindewohnungen sind aber keine gewinnbringende Ware, sondern haben eine soziale Aufgabe zu erfüllen. Nämlich jenen ein Dach über den Kopf zu geben, denen es nicht so gut geht.
Sozialcard:
2012 wurde die Sozialcard auf jahre-, jahrzehntelanges Drängen der KPÖ eingeführt, um Menschen unbürokratisch Hilfestellungen zu geben. Schwarz-blau rückt davon immer weiter ab. So müssen Leistungen wie die Weihnachtsbeihilfe oder der Energiekostenzuschuss separat und online beantragt werden. Gleichzeitig werden die BezieherInnen unter Generalverdacht gestellt, indem man ihnen nur mehr Gutscheine für die Weihnachtsbeihilfe zukommen lässt.
Bauboom in Graz:
Die KPÖ hat dem Flächenwidmungsplan nicht zugestimmt. Aus gutem Grund. Unsere Hauptargumente waren, dass die Ausstattung mit Grünraum gerade in den Bezirken Lend, Gries und Jakomini mangelhaft ist und bleibt. Und gerade in dicht verbauten Gebieten, eben auch in Teilen von Lend und Gries, wurde die Bebauungsdichte noch weiter erhöht.
Seit 2012 wurden 68 Hektar in Graz verbaut, eine Fläche größer als die gesamten Reininghausgründe. Jede Woche kommen über 1.100 m2 an Gebäudegrundflächen hinzu. Hier entsteht aber zumeist nicht leistbarer Wohnraum, sondern es werden nur allzu oft Anlegerwohnungen errichtet, die dann leerstehen.
Danke!
Zu guter Letzt möchte ich noch Danke sagen:
- den Vorsitzenden in „meinen“ Ausschüssen, Georg Topf, Klaus Fröhlich, Armin Sippel und Michael Ehmann
- den Direktoren: Stadtrechnungshofdirektor Mag. Hans-Georg Windhaber, Baudirektor DI Bertram Werle und ganz besonders, weil heuer zum letzten Mal in diesem Rahmen, Finanzdirektor Dr. Karl Kamper
- allen AmtsleiterInnen, ReferatsleiterInnen und GeschäftsführerInnen in unseren städtischen Betrieben und Gesellschaften
- den Mitgliedern der Stadtregierung und allen Mitgliedern des Gemeinderats für die oft konstruktive Zusammenarbeit, für viele interessante Diskussionen und Auseinandersetzungen und schließlich ganz besonders bei
- allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Stadt Graz und in unseren Gesellschaften, ohne deren Arbeit unsere Stadt nicht funktionieren würde.
Manfred Eber ist Klubobmann der KPÖ Graz.
Kontakt: manfred.eber@stadt.graz.at
Telefon: 0699/12 18 42 01
Veröffentlicht: 5. November 2020