Arbeitslosengeld rauf!

Von 2. bis 9. Mai läuft die Eintragungswoche zum Volksbegehren "Arbeitslosengeld Rauf!". Das Grazer Stadtblatt hat mit Emmerich Tálos über Lücken im Sozialstaat, Vorurteile beim Arbeitslosengeld und das Volksbegehren gesprochen.

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Univ.-Prof. Dr. Emmerich Tálos i.R. (77) war bis 2009 Professor für Politikwissenschaften an der Universität Wien und lehrte an der Donau-Universität Krems und der WU. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Sozialpolitik und Wohlfahrtsstaat und Österreich im 20. Jahrhundert. (Foto: KK)

Das Volksbegehren setzt sich dafür ein, dass das Arbeitslosengeld in Österreich auf zumindest 70 Prozent des Letzteinkommens erhöht wird. Warum ist das so wichtig?

Emmerich Tálos: Speziell die letzte beiden Jahre haben gezeigt, wie wichtig der Sozialstaat in Österreich ist. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass die sozialen Teilhabechancen gesichert werden, dass Menschen bei gesundheitlichen Problemen oder auch Problemen am Arbeitsmarkt unterstützt und aufgefangen werden. Die Pensions- und auch die Krankenversicherung ist vergleichsweise gut ausgebaut. Allerdings reicht die Arbeitslosenversicherung nicht, um erwerbslose Menschen immer auch vor Verarmung zu schützen. Mit einer Nettoersatzrate von derzeit 55 Prozent sind Viele nicht ausreichend versorgt. Die dauerhafte Anhebung fordern wir, weil der gut ausgebaute Sozialstaat in Hinblick auf die Erwerbslosen einen großen Nachholbedarf hat. 

Ein immer wiederkehrendes Argument ist, dass ein hohes Arbeitslosengeld die Menschen davon abhalten würde, wieder Arbeiten zu gehen. Was setzen Sie dem entgegen? 

Tálos: Diese Unterstellung hört man immer wieder. Ich kann nur festhalten, dass eine ausreichende materielle Sicherheit die Situation der Betroffenen enorm verbessert. Sie bewahrt die Betroffenen davor, prekäre Arbeitsverhältnisse eingehen zu müssen und stärkt die gewerkschaftliche Verhandlungsbasis, was beispielsweise Gehalt und Arbeitszeit angeht.

Was spricht gegen ein degressives Modell, wie es von einigen Seiten vorgeschlagen wird?

Tálos: Die ÖVP, der Wirtschaftsbund, die Wirtschaftskammer und auch der Arbeitsminister propagieren dieses degressive Modell. Dieses liefe darauf hinaus, dass das Arbeitslosengeld nur für kurze Zeit auf 70 Prozent angehoben wird, um in der Folgezeit immer mehr zu sinken. Es wurde sogar überlegt, diesbezüglich in Richtung von 40 Prozent zu gehen. Das ist eine Vorstellung, die zur massiven Verarmung, speziell von Langzeitarbeitslosen, führen würde.

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Stadtrat Robert Krotzer, Bürgermeisterin Elke Kahr und Landtagsklubobfrau Claudia Klimt-Weithaler unterstützen das Volksbegehren. Von 2. bis 9. Mai kann man es in allen Gemeindeämtern Österreichs, im Amtshaus und in den Servicestellen der Stadt Graz sowie online auf oesterreich.gv.at unterschreiben. (Foto: KPÖ)

Wie ließe sich die Anhebung des Arbeitslosengeldes finanzieren?

Tálos: Das „Momentum Institut“ hat berechnet, dass die Anhebung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent bei einer durchschnittlichen Zahl von 400.000 Erwerbsarbeitslosen knapp mehr als eine Milliarde Euro kosten würde. Das ist viel Geld. Wenn wir aber bedenken, wie breit die Palette der Unternehmensunterstützungen nicht nur in der Corona-Pandemie war und ist, sollte das auch für arbeitslose Menschen möglich sein. Wenn die Politik das will, lässt sich das umsetzen. Wir hoffen, dass unser Volksbegehren einen Beitrag zur Sensibilisierung des Themas leistet. 

Welche Wünsche hätten Sie noch an die Politik?

Tálos: Mit der Erhöhung des Arbeitslosengeldes sind aber nicht alle Probleme gelöst. Der Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Österreich wäre auf jeden Fall wünschenswert. Mir wäre es auch ein wichtiges Anliegen, dass die durch die türkis-blaue Regierung beschlossenen Verschlechterungen der Mindest- und Sozialhilfe wieder zurückgenommen werden. Diese bringen nämlich für sehr viele Menschen noch mehr Verarmungsrisiken mit sich. 

www.arbeitslosengeld-rauf.at
 

Unterschreiben

Montag, 2. und 9. Mai: 7–20 Uhr
Dienstag bis Freitag: 7–16 Uhr
Samstag und Sonntag: 8–13 Uhr
im Amtshaus (Kaiserfeldgasse 17) sowie in allen Servicestellen der Stadt Graz 
oder online mit Handy-Signatur via oesterreich.gv.at.
 

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