20 Jahre Mietzinszuzahlung in Graz
Existenzielle Hilfe für viele Menschen
Seit genau 20 Jahren gibt es die Mietzinszuzahlung für Sozialwohnungen in Graz. Im Rahmen einer Pressekonferenz (zum Video hier klicken) berichteten heute Stadträtin Elke Kahr, Ernest Kaltenegger und Anni Grünauer von der KPÖ von ihren Beweggründen und Erfahrungen bis zur Einführung der Mietzinszuzahlung.
50 bis 60 Prozent ihres Haushaltseinkommens mussten Mieterinnen und Mieter 1996 in vielen Übertragungswohnbauten der Stadt Graz fürs Wohnen ausgeben. „Mit Sozialwohnungen hat das nichts mehr zu tun“, so Ernest Kaltenegger. Er erinnerte sich an einen Gemeinderatsantrag der KPÖ für die Einführung von Belastungsobergrenzen für Mieter von Sozialwohnungen. „Damals waren nur Elke Kahr und ich als Vertreter der KPÖ im Grazer Gemeinderat. Unser Antrag wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ einfach versenkt.“
Kaltenegger und Kahr beschlossen, das nicht einfach so hinzunehmen, setzten sich mit betroffenen Mieterinnen und Mietern in Verbindung und riefen unter dem Arbeitstitel „Wohnen macht arm“ das „Grazer Wohnungsvolksbegehren“ ins Leben.
Das Ziel: Nicht mehr als ein Drittel des Nettohaushaltseinkommens sollten Mieterinnen und Mieter von Sozialwohnungen fürs Wohnen ausgeben müssen.
Die Resonanz war gewaltig: Binnen 6 Monaten wurden tausende Unterschriften gesammelt. „Wir haben jeden Tag gesammelt, am Vormittag und am Nachmittag, bei jedem Wetter. Einmal mussten wir sogar Schnee schaufeln, damit wir unseren Infostand vor der GKK aufstellen konnten“, berichtete Anni Grünauer, die damals tausende Unterschriften gesammelt hat. „Immer mehr Leute sind gekommen und haben unterschrieben.“
Im Dezember 1996 konnte die KPÖ schließlich 17.135 Unterschriften an den Bürgermeister übergeben. Doch die Stadtregierung zierte sich und wollte das Anliegen nicht im Gemeinderat behandeln. „Deshalb haben wir begonnen, das Rathaus mit künstlichen Mauerelementen zu umzäunen“, erinnerte sich Kaltenegger. „Mit jeder Gemeinderatssitzung, in der das Thema nicht behandelt wurde, ist die symbolische Mauer vor dem Rathaus um ein Stück gewachsten.“
Endlich, als die Mauer bereits 24 Meter lang war, kam das Thema auf die Gemeinderatstagesordnung. Am 2. Oktober 1997 wurde die Einführung der Mietzinszuzahlung für MieterInnen von Sozialwohnungen beschlossen. Einstimmig. „Man kann also auch Wohnungspolitik außerhalb des Stadtsenats betreiben“, lächelte Kaltenegger verschmitzt.
1998 wurde Ernest Kaltenegger Wohnungsstadtrat und erreichte in der Folge noch einige Verbesserungen bei den Richtlinien, z. B., dass die Familienbeihilfe nicht zum Einkommen hinzugerechnet wird, sowie die Berücksichtigung eines Betrages für den Lebensbedarf ab der zweiten im Haushalt lebenden Person.
„Die Einführung der Mietzinszuzahlung war eine dringende Notwendigkeit, um Wohnen auch für Menschen mit geringem Einkommen leistbar zu machen“, so Elke Kahr.
Doch in der nächsten Woche soll das Mietzinszuzahlungsmodell verschlechtert und die Familienbeihilfe wieder als Teil des Einkommens gerechnet werden. „Wenn das beschlossen wird, werden viele Familien mit Kindern und Alleinerziehende wesentlich weniger oder gar keine Mietzinszuzahlung mehr bekommen. Das ist familienfeindlich.“, warnt Elke Kahr vor den Verschlechterungen. Die KPÖ wird einen Abänderungsantrag zu diesem Stück einbringen.
Veröffentlicht: 11. Oktober 2017